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Lebenselixier

Lebenselixier

Titel: Lebenselixier
Autoren: Monika Bender
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Zellkern. Aber das ...“ Er deutete mit dem Finger auf die
linke Bildhälfte. „Sehen sie diesen Schatten? Das ist, wie Fräulein Sauer ganz
richtig erkannt hat, ein Zellkern. Und dennoch erfüllt dieser Zelltyp, unter
anderem, vergleichbare Aufgaben - im Körper eines Vampirs.“ Walser gönnte sich
eine Kunstpause, in der er triumphierend vom einen zum anderen sah. „Dieser
Zelltyp ist im Blut dieser Kreaturen so häufig vertreten, wie es die roten
Blutzellen in unserem sind. Zu ihren Eigenschaften gehört es, Sauerstoff und
Nährstoffe zu transportieren. Aber sie tun noch viel mehr. Charles!“
Der Film lief weiter. Jetzt waren nur die vampirischen Blutzellen zu sehen.
„Passen sie auf, was passiert, wenn menschliches Blut hinzugegeben wird!“
Vincente beobachtete, wie ungefähr die doppelte Anzahl donutförmiger Zellen
zwischen den linsenförmigen auftauchte. Die Linsenförmigen schienen einen
Augenblick anzuschwellen – bevor die Hälfte von ihnen ihre runde Form verlor,
länglicher wurde und auf die menschlichen Zellen zufloss. Ähnliches hatte
Vincente schon bei der Aufnahme einer Amöbe gesehen. Nur, dass die Amöbe sich
eher langsam und ziellos bewegt hatte. Diese Gebilde jedoch strebten schnell
und präzise auf ihr Ziel zu. Als es erreicht war, gaben sie endgültig ihre Form
auf. Sie umflossen die menschlichen Blutzellen, verleibten sie sich ein, um sie
innerhalb eines Augenblicks in ihrem Inneren aufzulösen. Einen kurzen Moment
später wandten sie sich der nächsten Zelle zu und verfuhren ebenso – bis der
letzte Erythrozyt aufgefressen war.
    „Oh mein Gott“,
flüsterte Hannah. „Das ist doch unmöglich!“
Vincente verzog das Gesicht. Jeder Schuljunge mit einem Grafikprogramm könnte
dieses Filmchen an einem freien Nachmittag zusammen basteln, davon war er
überzeugt.
„Vermutlich ist es das auch. Hören Sie, Professor, ich will Ihnen nichts
unterstellen. Aber was Sie uns hier anbieten, ist starker Tobak. Außerdem habe
ich schon reichlich digitalisierte Bilder gesehen, die mir wesentlich
überzeugender vorkamen.“
„Nein, nein“, fiel Hannah ihm ins Wort. „Das ist ganz typisch für diese Art von
Aufnahmen.“
    Vincente war
darauf gefasst, Walser könnte auf seine ablehnende Haltung zornig oder
aggressiv reagieren. Sein spöttisches, siegesgewisses Grinsen bestürzte den
Priester mehr, als jeder Wutausbruch es getan hätte. Vincentes Ungeduld
verflog. Unbehagen machte sich in seinem Magen breit.
    „Ich habe Ihnen
diese Aufnahmen gezeigt, damit Sie verstehen, wie die Kreatur beschaffen ist,
die Sie gleich sehen werden. Natürlich haben wir auch eine ganze Reihe anderer
Untersuchungen durchgeführt. Allerdings finde ich dieses Ergebnis besonders
anschaulich. Wenn Sie mir jetzt bitte folgen würden?“
Der Professor erhob sich, bot Hannah galant seinen Arm und führte sie aus dem
Raum. Er überließ es Vincente, ob er ihnen folgte oder nicht.
    Hannah bewegte
sich linkisch und wusste kaum wohin mit sich. Walsers auffällige Schmeichelei
beeindruckte sie zutiefst. Vincente machte sich die heftigsten Vorwürfe, sie in
diese Sache hineingezogen zu haben. Die arme Seele war Wachs in den Händen
dieses Scharlatans. Widerwillig folgte Vincente Walser, Hannah und Cross. Wie
leichtsinnig war er doch gewesen, Hannah hierher zu bringen. Diese Leute waren
eindeutig nicht ganz richtig im Kopf und verrückte Fanatiker konnten gefährlich
werden.
    Der Professor
führte sie durch staubige Flure zu einer Stahltür, massiv und matt glänzend.
Cross tippte mit gewichtiger Geste einen Zahlencode in das elektronische
Schloss. Vincente fühlte seine Kopfhaut kribbeln, als die Tür zur Seite
schwang. Fahles Neonlicht flammte auf.
Auf einem fahrbaren Metalltisch, ähnlich jenen, die in der Pathologie
Verwendung fanden, lag eine menschliche Gestalt. Ein Gitter aus daumendicken
Stahlstäben lief kreuz und quer über den Körper hinweg und presste ihn gegen
die Unterlage. Die Gitterstäbe umschlangen den Körper dicht. Vincente erkannte
erst auf den zweiten Blick, dass der Mann splitternackt war.
Hannah gab ein verschrecktes Geräusch von sich und wandte irritiert den Blick
ab. Die Röte auf ihren Wangen vertiefte sich.
Ein ausgesprochen schöner Mensch, registrierte Vincente. Ein junger Mann von
vielleicht zwanzig Jahren, mit einem ebenmäßigen Gesicht, kurzem,
rötlich-blondem Haar und ausgeprägter Muskulatur. Rote Narben und großflächige
Blutergüsse verschandelten die helle, haarlose Haut, wo auch immer
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