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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell
Autoren: Jeffery Deaver
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und mir dann sagen, ob ihr Abzüge haben wollt.«
    Will winkte einem Freund weiter hinten zu. Silicon Valley erstreckt sich zwar über mehrere Hundert Quadratkilometer, aber eigentlich ist es ein Dorf. An Lara gewandt, sagte er: »Cheryl und ich wollten die Bilder an diesem Wochenende sowieso vorbeibringen, zu Sandys Haus in Santa Barbara …«
    »Ja, da fahren wir am Freitag hin.«
    Will hielt inne und lächelte, als würde er sie gleich in ein großes Geheimnis einweihen, zog seine Brieftasche heraus und ließ sie aufklappen, woraufhin ein Foto von ihm, seiner Frau und seinem sehr kleinen, proper aussehenden Baby zu sehen war. »Letzte Woche«, sagte er stolz. »Claire.«
    »Oh, wie entzückend«, flüsterte Lara und dachte flüchtig an Hanks Bemerkung bei Marys Hochzeit, dass er sich, was Nachwuchs anging, keinesfalls so sicher sei.
    Na ja, wie auch immer …
    »Wir sind in nächster Zeit wohl eher ans Haus gebunden.«
    »Wie geht’s Cheryl?«
    »Prima. Dem Baby auch. Es ist unglaublich … Ob Sie es glauben oder nicht, aber das Vaterdasein verändert das Leben vollständig.«
    »Das glaube ich gerne.«
    Lara warf wieder einen Blick auf die Uhr. Halb acht. Um diese Zeit musste man bis zu Ciro’s eine halbe Stunde rechnen. »Ich muss los.«
    Plötzlich fiel ihr wie aus heiterem Himmel der Van und sein Fahrer ein.
    Diese Dreadlocks.
    Die rostrote Schliere auf der zerbeulten Seitentür.
    Will ließ sich die Rechnung geben und zahlte.
    »Das ist doch nicht nötig«, sagte sie. »Lassen Sie mich zahlen.«
    Er lachte. »Das haben Sie bereits getan.«
    »Was?«
    »Dieser Investmentfonds, von dem Sie mir bei der Hochzeit erzählt haben … in den Sie damals gerade selbst investiert hatten?«
    Lara erinnerte sich daran, dass sie schamlos mit einem Biotech-Papier angegeben hatte, das im vergangenen Jahr tatsächlich um sechzig Prozent in die Höhe geschossen war.
    »Zu Hause in Nantucket habe ich gleich einen ganzen Haufen davon gekauft … Also nochmals vielen Dank für den Tipp.« Er prostete ihr mit dem Bier zu. Dann stand er auf. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Aber sicher.« Lara starrte nervös auf die Tür, als sie auf sie zugingen.
    Reine Paranoia, ermahnte sie sich und dachte, wie so manches Mal, flüchtig daran, dass sie sich einen normalen Job suchen sollte, wie alle anderen Leute hier in der Bar. Sie sollte sich nicht ständig in einer Welt der Gewalt bewegen.
    Bestimmt war das rein beruflich bedingte Paranoia …
    Warum war dann der Junge davongerast, nachdem sie zum Parkplatz eingebogen war und ihn kurz angesehen hatte?
    Vor der Tür spannte Will seinen Regenschirm auf und hielt ihn über sie beide.
    Lara rief sich eine weitere ihrer Verhaltensregeln in der Großstadt ins Gedächtnis: »Sei nie zu stolz oder zu verlegen, andere um Hilfe zu bitten.«
    Trotzdem drängte sich, als sie Will Randolph gerade bitten wollte, sie zu ihrem Auto zu bringen, ein anderer Gedanke in den Vordergrund: Wenn der junge Mann in dem Van wirklich eine Bedrohung darstellte, verhielt sie sich dann mit ihrer Bitte, Will möge sich ebenfalls in Gefahr begeben, nicht sehr egoistisch? Er war ein frisch gebackener Familienvater, ein Mann, der für andere Menschen verantwortlich war. Sie fand es mehr als unfair, ihn …
    »Stimmt was nicht?«, erkundigte er sich.
    »Nein, schon gut.«
    »Ehrlich?«, hakte er nach.
    »Na ja, ich weiß nicht. Ich glaube, mich hat jemand auf dem Weg hierher verfolgt. Ein junger Bursche.«
    Will schaute sich um. »Sehen Sie ihn irgendwo?«
    »Nein, im Augenblick nicht.«
    »Sie haben doch diese Website, stimmt’s? Wie Frauen sich selbst schützen können?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Glauben Sie, dass er davon weiß? Vielleicht will er Sie schikanieren.«
    »Möglich. Wenn Sie wüssten, wie viele Hassbriefe ich bekomme.«
    Er zog sein Handy heraus. »Soll ich die Polizei anrufen?«
    Sie überlegte hin und her.
    Sei nie zu stolz oder zu verlegen, andere um Hilfe zu bitten.
    »Nein, nein. Aber … würde es Ihnen etwas ausmachen, mich zu meinem Auto zu begleiten, nachdem Sie mir die Bilder gegeben haben?«
    Will lächelte. »Selbstverständlich nicht. Ich kann zwar kein Karate, aber wenn es darauf ankommt, kann ich ganz schön laut um Hilfe schreien.«
    Sie lachte. »Vielen Dank.«
    Sie gingen vor dem Restaurant auf dem Bürgersteig entlang, und sie ließ den Blick über die geparkten Autos schweifen. Wie auf jedem Parkplatz im Silicon Valley standen dort haufenweise Saabs, BMWs und Lexus’. Aber kein Van.
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