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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell
Autoren: Jeffery Deaver
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Keine Jugendlichen. Keine blutigen Schlieren.
    Will nickte zum Parkplatz auf der Rückseite des Gebäudes, wo er sein Auto abgestellt hatte. »Sehen Sie ihn?«
    »Nein.«
    Sie gingen durch die schmale Durchfahrt an dem Gebäude vorbei zu seinem Wagen, einem makellos gepflegten, silberfarbenen Jaguar.
    Herrje, schwammen denn alle im Silicon Valley im Geld – außer ihr?
    Er fischte die Autoschlüssel aus der Tasche. Sie gingen zum Kofferraum. »Bei der Hochzeit habe ich nur zwei Filme voll geknipst. Aber ein paar Bilder sind ganz nett geworden.« Er klappte den Kofferraum auf und blickte sich misstrauisch auf dem Parkplatz um. Sie tat es ihm nach. Niemand zu sehen. Sein Wagen war der Einzige, der hier abgestellt war.
    Will sah sie kurz an. »Wahrscheinlich haben Sie sich über die Dreads gewundert.«
    »Die Dreads?«
    »Ja«, nickte er, »die Dreadlocks.« Seine Stimme klang irgendwie verändert, flacher, nicht mehr bei der Sache. Er lächelte zwar noch, aber sein Gesichtsausdruck war plötzlich anders, irgendwie lauernd.
    »Was meinen Sie damit?«, fragte sie betont ruhig, doch innerlich breitete sich die Angst explosionsartig aus. Jetzt fiel ihr auf, dass die Zufahrt zum Parkplatz von einer Kette blockiert war, und ihr war klar, dass er sie eingehakt haben musste, nachdem er sein Auto abgestellt hatte – um sicherzugehen, dass keiner außer ihm hier parkte.
    »Es war eine Perücke.«
    Großer Gott, Herr im Himmel, dachte Lara Gibson, die schon seit zwanzig Jahren nicht mehr gebetet hatte.
    Er sah ihr tief in die Augen, erkannte ihre Angst. »Der Jaguar parkt hier schon länger. Dann habe ich den Van geklaut und bin dir von deiner Wohnung aus gefolgt. Mit Perücke und Militärjacke. Damit du nervös und ein bisschen paranoid wirst und in meiner Nähe bleiben willst … Ich kenne nämlich alle deine Verhaltensregeln, diesen ganzen Selbstschutz-Quatsch. Geh nie mit einem Mann in ein verlassenes Parkhaus. Verheiratete Männer sind sicherer als ledige. Und mein Familienfoto?« Er nickte zu seiner Brusttasche. »Das habe ich aus einem Bild in
Eltern
am Computer zusammengebastelt.«
    »Sie sind nicht …«, flüsterte sie entsetzt.
    »Sandys Cousin? Den kenne ich nicht mal. Ich habe mir Will Randolph ausgesucht, weil du ihn ein
bisschen
kennst und weil er mir ein
bisschen
ähnlich sieht. Schließlich wärst du sonst doch nie im Leben allein mit mir hier herausgekommen. Du kannst die Hand übrigens aus deiner Handtasche ziehen.« Er hielt das Pfefferspray hoch. »Das habe ich mir auf dem Weg nach draußen geschnappt.«
    »Aber …« Sie schluchzte, und ihre Schultern sanken vor Hoffnungslosigkeit nach unten. »Wer sind Sie? Sie kennen mich nicht einmal …«
    »Stimmt nicht, Lara«, flüsterte er und betrachtete sie und die Angst in ihrem Gesicht auf die gleiche Weise, wie ein überlegener Schachmeister das Gesicht seines besiegten Gegners studiert. »Ich weiß alles von dir. Jedes kleinste Detail.«

2 Kapitel 00000010
    Langsam, vorsichtig …
    Bloß nichts kaputtmachen, bloß nichts abbrechen.
    Eine winzige Schraube nach der anderen löste sich aus der Plastikverkleidung des kleinen Radios und fiel in die langen, ungewöhnlich muskulösen Finger des jungen Mannes. Einmal hätte er beinahe das feine Gewinde einer dieser Schrauben verbogen und musste eine Pause einlegen, sich entspannt im Sessel zurücklehnen und den Blick aus dem kleinen Fenster in den wolkenverhangenen Himmel über Santa Clara County richten. Dann ging es wieder. Inzwischen war es 20 Uhr. Er saß schon über zwei Stunden an dieser mühseligen Arbeit.
    Endlich waren alle zwölf Halteschrauben aus der Verkleidung des Radios entfernt und lagen auf der klebrigen Seite eines gelben Haftzettels. Wyatt Gillette zog die Grundplatte des Samsung heraus und betrachtete sie eingehend.
    Wie üblich preschte seine Neugier los wie ein nervöses Rennpferd. Er fragte sich, warum die Designer so viel Platz zwischen den Platinen gelassen hatten, warum sie beim Empfänger Draht von ausgerechnet dieser Stärke verwendet hatten, und in welchem Verhältnis die Metalle der Lötmasse gemischt.
    Vielleicht war das die optimale Konstruktion, vielleicht aber auch nicht.
    Vielleicht hatten die Techniker nachlässig gearbeitet, oder sie waren abgelenkt gewesen …
    Konnte man Radios noch besser bauen?
    Er nahm das Gerät noch weiter auseinander, schraubte sogar die Leiterplatten los.
    Langsam, vorsichtig …
    Wyatt Gillette war neunundzwanzig Jahre alt, einsfünfundachtzig groß,
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