Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lauf des Lebens

Lauf des Lebens

Titel: Lauf des Lebens
Autoren: LINDA HOWARD
Vom Netzwerk:
ganz so munterer Frühaufsteher war. Sie fühlte, wie sich ihr Pulsschlag beschleunigte, während sie ihre langen Haare bürstete und zu einem dicken Zopf flocht. Die unmittelbar bevorstehende Herausforderung, ihre Auseinandersetzung mit Blake, erfüllte sie mit prickelnder Vorfreude, zauberte ihr ein Funkeln in die Augen und eine leichte Röte auf die Wangen.
    Der Morgen war immer noch kühl, aber sie wusste aus Erfahrung, dass die Kraftanstrengung ihres Jobs sie schon bald ins Schwitzen bringen würde. Also zog sie knappe blaue Shorts an, ein ärmelloses Baumwollhemd mit fröhlichen roten, blauen und gelben Tupfen und alte Tennisschuhe. Dann beugte sie sich zwanzigmal zu ihren Zehen hinunter und berührte sie mit den Fingerspitzen, um Rücken und Beine zu dehnen. Es folgten zwanzig Sit-ups. Sie hätte noch einige mehr geschafft, doch sie begnügte sich mit diesem Standard-Aufwärmprogramm.
    Nach einem kurzen Klopfen an Blakes Tür betrat sie lächelnd seinen Raum. „Guten Morgen“, sagte sie munter, während sie zum Balkon ging, die Vorhänge öffnete und das Tageslicht hineinließ.
    Blake lag auf dem Rücken, seine Beine waren etwas unbeholfen gelagert, so als ob er in der Nacht versucht hätte, sie zu bewegen. Er schlug die Augen auf, und Dione sah so etwas wie Panik darin aufflackern. Er zuckte ein wenig, versuchte dann, sich aufzurichten und betastete seine Beine; dann schien er sich zu erinnern und ließ sich mit hoffnungsloser Miene zurückfallen.
    Wie oft kam das vor? Wie oft wachte er auf, ohne sich an den Unfall zu erinnern – von Panik erfasst, weil er seine Beine nicht bewegen konnte? Bald wird das nicht mehr passieren, schwor sich Dione und setzte sich neben ihn aufs Bett.
    „Guten Morgen“, wiederholte sie. Er erwiderte ihren Gruß nicht. „Wie spät ist es?“, blaffte er. „Ungefähr sechs Uhr. Vielleicht ein bisschen früher.“
    „Was machen Sie hier?“
    „Mit Ihrer Therapie beginnen“, antwortete sie heiter. Sie sah, dass er einen Pyjama trug, und fragte sich, ob er in der Lage war, sich vollständig alleine anzuziehen, oder ob er fremde Hilfe benötigte.
    „Niemand steht um diese Uhrzeit auf“, grummelte er und schloss die Augen.
    „Außer mir – und nun auch Ihnen. Kommen Sie, wir haben heute eine Menge vor.“ Sie schob den Rollstuhl an die Bettseite heran und schlug die Decke zurück, wobei sie seine mitleiderregend dünnen Beine entblößte, die aus dem hellblauen Pyjama herausstakten. An den Füßen trug er weiße Socken.
    Als er die Augen wieder öffnete, lag noch immer Verärgerung in seinem Blick.
    „Was machen Sie da?“, knurrte er und streckte einen Arm aus, um die Decke wieder über seinen Körper zu ziehen.
    Er wollte nicht, dass sie ihn sah, aber auf allzu viel Schamgefühl konnte sie bei ihrer Behandlung nicht Rücksicht nehmen. In Kürze würde sie ebenso selbstverständlich und vertraut mit seinem Körper umgehen wie mit ihrem eigenen, und das musste er jetzt begreifen. Wenn er sich seines Körpers schämte, dann musste er diesen Körper eben trainieren, bis es keinen Anlass mehr für Scham gab.
    Sie zog die Decke zum zweiten Mal weg und schwang mit einer geschickten Bewegung seine Beine herum, bis sie zur einen Seite des Bettes herunterbaumelten. „Stehen Sie auf“, sagte sie unnachgiebig, „und gehen Sie ins Bad, bevor wir beginnen. Brauchen Sie Hilfe?“
    Seine tiefblauen Augen sprühten Feuer. „Nein“, fauchte er, so verärgert, dass er kaum sprechen konnte. „Ich kann alleine ins Bad gehen, Mama!“
    „Ich bin nicht Ihre Mutter“, entgegnete sie, „sondern Ihre Therapeutin. Obschon Mütter und Therapeutinnen einiges gemeinsam haben.“
    Sie hielt den Rollstuhl fest, während er sich hineinhievte. Dann schoss er quer durch den Raum davon und war im angrenzenden Badezimmer verschwunden, bevor sie auch nur reagieren konnte. Sie lächelte in sich hinein. Als sie hörte, wie er die Tür verriegelte, rief sie: „Glauben Sie nicht, dass Sie sich den ganzen Morgen dort verschanzen können. Notfalls werde ich die Tür aus den Angeln heben.“
    Sie bekam einen gedämpften Fluch als Antwort und musste erneut lachen. Das konnte höchst interessant werden!
    Als Blake endlich wieder herauskam, hatte sie sich bereits mitder Ideeangefreundet, die Tür tatsächlich aus den Angeln zu heben. Er hatte sich die Haare gekämmt und das Gesicht gewaschen, aber seine Laune hatte sich nicht gebessert.
    „Haben Sie Unterwäsche an?“, fragte sie und verkniff sich jeden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher