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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Stunden der Fahrt das Thema noch einmal anzusprechen. Überhaupt war das Motorengeräusch im Wohnmobil ohnehin viel zu laut, um eine angeregte Diskussion führen zu können.
    Nachdem das Gespräch mit Frederiksen länger gedauert hatte, als erwartet, war seine Partnerin sauer gewesen. So würden sie ihre Tagesetappen nicht bewältigen können, hatte sie vorwurfsvoll festgestellt und darauf gedrängt, den geplanten Abstecher zum südwestlichen Zipfel nach Stavanger und dem legendären Felsen Preikestolen – was ins Deutsche übersetzt Predigerstuhl oder Kanzel hieß – kurzerhand zu streichen. Sie wollten deshalb gleich Bergen ansteuern. Der Weg dorthin entlang der südlichen Ausläufer der atemberaubenden Hochfläche Hardangervidda erwies sich zwar als grandios und aussichtsreich, aber zog sich unerwartet in die Länge. Bei Sonnenuntergang, was erst spätabends war, rollte das Wohnmobil schließlich über Serpentinen hinab nach Røldal, wo es im engen Tal unweit einer dieser in besonderer Holzbauweise errichteten historischen Stabkirchen einen Campingplatz gab. Unterwegs war Sander im Rückspiegel ein Wohnmobil aufgefallen, das stets den gleichen Abstand einhielt. Aber das musste nichts bedeuten. Hier gab es nur diese eine Straße und ältere Fahrer waren meist froh, wenn sie einen anderen vor sich hatten, an dem sie sich orientieren konnten.
     
    Die Nacht war traumlos gewesen. Jetzt, an diesem frühen Montagmorgen, steuerten sie nordwärts nach Odda, einem einst herrschaftlichen Erholungsort am Sørfjord, wo jedoch Schmelzhütten das Idyll ziemlich zerstört haben und man wohl gerade mit den Hinterlassenschaften eines großen Industriebetriebs kämpfte, wie Sander an einem verfallenen Werksgelände erkannte.
    Einen weiteren Einblick in die meisterliche Tunnelbaukunst der Norweger bekamen sie hier, wo der gesamte Bergrücken den Folgefonna nasjonalpark unterirdisch durchquert, um den Verkehr im zerklüfteten Küstengebiet näher an Bergen heranzubringen.
    Sander entdeckte im Rückspiegel zwei Wohnmobile und ein Wohnwagengespann. Sie konnten ihn nicht überholen. Er verlor sie alsbald auch aus den Augen und hätte später nicht einmal sagen können, ob sie auch auf der Fähre nach Gjermundshamn gewesen waren.
     
    Sander und Doris waren ein gutes Stück vor Bergen auf dem Campingplatz Haukeland untergekommen, der witzigerweise Lone hieß – genauso wie jenes Flüsschen auf der Schwäbischen Alb, an dessen Quelltopf Doris aufgewachsen war. Auch dort entdeckte Georg jetzt, am frühen Montagmorgen, wieder einige Fahrzeuge und Autokennzeichen, die er in den vergangenen drei Tagen schon einmal gesehen hatte.
    Seine Videokassette, davon überzeugte er sich, steckte noch immer unterm Holzrost seines Betts im Alkofen. Ein sicheres Versteck, wie er glaubte.

8
    Rund 2.000 Kilometer entfernt, weit im Süden Deutschlands, sah zu diesem Zeitpunkt Herbert Braun in zwei ängstliche Augen. Für einen Moment war er irritiert und überlegte, ob er den Mann schon einmal irgendwo gesehen hatte. Doch er konnte das Gesicht nicht zuordnen. »Bitte, was?«, war alles, was er hervorpressen konnte, während sein Fernglas am Lederriemen um den Hals baumelte.
    »Da liegt einer«, erwiderte der andere außer Atem. »Da drüben.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf das dicht bewachsene Ufer des Weiherwiesensees.
    Braun überlegte kurz, wie ernst der Unbekannte zu nehmen war, ob es sich um einen Landstreicher oder um einen Verrückten handelte. Dann aber entschied er, dem Drängen des aufgeregten Mannes nachzugeben.
    »Der ist ertrunken, ganz sicher ertrunken«, stammelte der Fremde und eilte mit energischen Schritten von der Aussichtsplattform. Braun fingerte bereits vorsorglich nach seinem Handy, das in einer der vielen Taschen steckte. Wenn es tatsächlich sein musste, würde er die Einsatzkräfte schnell verständigen können.
    Der Unbekannte lief so schnell er konnte, ohne zu rennen. »Los, kommen Sie«, rief er Braun zu, der ein paar Schritte zurückgeblieben war. »Vielleicht können wir ihn noch retten.« Es klang eine Spur aufgeregter als zuvor, fast panisch.
    Brauns Zweifel schwanden. Er hetzte ihm hinterher. Um keine wertvolle Zeit zu verlieren, zog er im Gehen sein Handy heraus, hob die Tastensperre auf und wählte 110. Der Fremde war inzwischen zehn Schritte voraus. Braun folgte ihm auf dem Forstweg entlang des Sees talabwärts und hielt das Handy ans Ohr. Als sich die Einsatzzentrale in der Kreisstadt meldete, war er ziemlich
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