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Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Titel: Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
Autoren: Bastei Lübbe
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kleinen Dorf bei Florenz. Mit ihm wollen wir unsere Reise durch die Geschichte der Malerei beginnen.
    Giotto entdeckt die Malerei
    Die Geschichte der (west-)europäischen Kunst ist eine Geschichte der Wiedergeburten. Es gab keine Epoche seit dem Untergang des Weströmischen Reiches im Jahre 476, in der man sich nicht mit der Antike auseinandergesetzt hätte – entweder, indem man sich von ihr abgrenzte oder indem man sich ihr erneut zuwandte. Nachdem das Frühmittelalter mit der als heidnische Dekadenz empfundenen Kultur der alten Römer gebrochen hatte, entdeckten als Erstes die Franken unter Karl dem Großen die Antike neu. Karl selbst verstand sein Reich als neues Rom, weshalb er sich in dieser Stadt, die seit den Tagen des Imperiums nahezu zum Dorf verkommen war, am Weihnachtstag des Jahres 800 zum Kaiser krönen ließ. In der Kunst regte er in seinem Herrschaftsgebiet eine Renaissance an, eine Wiedergeburt, die man später als »karolingische Wiedergeburt« bezeichnen würde. Sie drückte sich vornehmlich in Bildung, Literatur und Baukunst aus.
    Die eigentliche Renaissance begann rund ein halbes Jahrtausend später. Der Kunstschriftsteller Giorgio Varsari, Biograf zahlreicher Künstler der Renaissance, sprach 1550 im Rückblick von der »rinascità«. An ihren Anfang setzte er einen Maler, den auch der größte Dichter Italiens, Dante, in seinem Hauptwerk »Die Göttliche Komödie« würdigte: Giotto di Bondone (1266–1337).
    Giotto wurde vermutlich 1266 in Colle di Vespignano geboren, rund 30 Kilometer nordöstlich von Florenz. Man sagt, der Maler Cimabue habe sein Talent entdeckt, als er ihn beim Hüten von Schafen in den Sand zeichnen sah, und er habe den Knaben ausgebildet. Vermutlich handelt es sich um eine schöne Legende. Jedenfalls begann Giotto 1305, Decke und Wände der kleinen Arenakapelle in Padua auszumalen. Ein reicher Kaufmann namens Enrico degli Scrovegni wollte durch das fromme Werk die Sünden seines Vaters sühnen und ihm so ein paar Jahre im Fegefeuer ersparen. Der Versuch, sich durch Kunst einen Ablass zu erhandeln, war übrigens keine Ausnahme. Wären die Reichen und Mächtigen des Mittelalters und der frühen Neuzeit alle kreuzbrav gewesen, wäre die Welt heute um zahllose Kunstwerke ärmer.
    Was aber macht Giotto nun zu so etwas Besonderem, dass er den Platz am Anfang einer Geschichte der Malerei einnehmen darf?
    Es sind jene zwei Dinge, die Giotto in die Malerei des späten Mittelalters eingebracht hat: das Gefühl und den Raum.
    Am besten betrachten wir dazu sein Fresko »Die Beweinung Christi«. Ein Fresko, abgeleitet vom italienischen Wort für »frisch«, ist ein Gemälde, das direkt auf den noch feuchten (also »frischen«) Putz aufgetragen wird. Die Farbe verbindet sich rasch und dauerhaft mit dem Verputz. Dadurch kann sie nicht abblättern. Allerdings können die Künstler ihr Werk auch nicht mehr korrigieren, es sei denn, sie schlagen es von der Wand.

    Sehen Sie sich den toten Heiland genauer an. Der Leichnam Christi scheint auf Giottos Bild ein wirkliches Gewicht zu haben. Man sieht, wie die beiden kauernden Frauen die leblosen Arme anheben, und man vermeint, ihre Trauer zu spüren. Auch anderen Figuren merkt man ihren Schmerz an. Der heilige Johannes hat in seiner Verzweiflung seine Arme nach hinten gestreckt und neigt sich vornüber, als wolle er sich sogleich auf seinen toten Herrn stürzen.
    Wenn man diesen Ausdruck von individuellem Schmerz mit einer frühmittelalterlichen Miniatur der gleichen Szene vergleicht, stellt man fest: Wo Giotto Gefühl sprechen lässt, haben die Künstler zuvor nur Posen dargestellt. Sie erkennen an diesem Bild, wohin uns die Renaissance führen wird: zum Individuum. Der Künstler interessiert sich für den einzelnen Menschen. Wer bei einem Gemälde unsicher ist, ob es nochzum Mittelalter oder schon zur Renaissance zählt, achtet am besten auf die Gesichter. Je individueller die Züge sind, desto eher gehört es zur neuen Epoche.
    Noch etwas anderes fällt bei einem solchen Vergleich auf: Die Maler in der Zeit vor Giotto haben darauf verzichtet, den Hintergrund der Szenen zu gestalten. Er ist bei ihnen meist eine goldene Fläche. Noch bei dem Deutschen Stefan Lochner und seiner anmutigen »Madonna im Rosenhag« rund 150 Jahre später finden wir diese Goldgrundierung, die Heiligkeit symbolisieren soll. Gemälde mit Goldhintergrund sind fast immer mittelalterlich.
    Außerdem finden sich bei den Figuren der mittelalterlichen Maler grotesk
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