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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen
Autoren: Heinrich Mann
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mehr. Er hatte plötzlich Angst zu unterdrücken. „Glaubst du denn, daß ich bin wie meine Geschöpfe? Ich habe sie vielleicht geschaffen, weil ich nicht so bin." „Aber du hast sie geschaffen. Du mußt sie doch im Herzen getragen haben... Das ist so einfach, es ist mir heute nacht auf einmal klargeworden. Wenn die Menschen, die wir lieben könnten, in unserer Welt nicht leben, wenn sie nirgends leben - suchen wir sie doch im Herzen dessen, der sie erträumt hat! Warum tun die Frauen das nicht? Es wäre zu töricht gewesen, nicht zu dir zu kommen." „Ich bin nicht so stark..."
    Es war ihm, als ringe er mit dieser Siebzehnjährigen, als gelte es seine Selbsterhaltung.
    „Ihr Verlobter, Contessina, ist ein Held gegen mich. Er hat mehr künstliche Kraft als wirkliche, ich weiß es, mehr Fechteranspannung und Duschenlebendigkeit als Muskeln und Nerven. Aber wenigstens das Äußere deutet auf einen unternehmenden Kavalier. Sie haben von ihm immerhin vieles zu erwarten."
    „Ich weiß so ziemlich, was ich zu erwarten hätte", versetzte sie und schüttelte die Schultern. Sie ließ sich an seinem Tisch nieder, in seinem Arbeitssessel. Sie spielte mit dem Schreibgerät, warf ein Heft mit Notizen zu Boden und stützte den Kopf in die Hand. „Als er mich in San Gimignano besuchte, als ich mit ihm im Garten auf dem bröckeligen Aussichtsturm stand, hoch im Efeu und unter uns das blaue Land — weißt du, wie er mir vorkam? So fremd wie ein Engländer, der das fotografiert. Was ich alles dort gefühlt hatte, was man in sechzehn Jahren alles fühlen kann am Grunde dieser Nester von Efeu und auf diesen durchlöcherten, warmen Mauern, bei den Eidechsen - meinst du, er hätte davon etwas geahnt? Ich würde mich geschämt haben, ihm ein Wort zu verraten ... Dir -"
    „Mir?" fragte Mario Malvolto und griff mit schlechtem Gewissen nach dem Geschenk, das sie hinhielt. „Dir sag ich's!" Und sie sprang auf.
    „Vielmehr, du weißt es schon. Auch du hast so gefühlt, von dir selbst hab' ich es erfahren!" Er sträubte sich.
    „Wir treiben ein verdächtiges Gewerbe, wir Dichter. Wir führen euch Freuden zu, darum sind es aber noch nicht unsere ..
    „Du willst den Bescheidenen spielen. Du bist kokett." Und da er eine Bewegung machte: „Oder glaubst du mir nicht?"
    Sie streckten gleichzeitig nacheinander die Arme aus.
    „Dir nicht glauben!"
    Das war unmöglich. Ihr Atem; ihr Blick, die Linien ihres Körpers selbst verkündeten Wahrheit. Die Linien dieses zarten Körpers, dieser Seele aus Fleisch, überfluteten ihn, singend vor Leidenschaft. Er bebte unter ihnen, er wünschte heftig, sie möchten sein Herz umschlingen, es zerbrechen mit all dem Künstlichen darin, es auf immer vergewaltigen und knechten. Nichts mehr fühlen als sie! Welch ein Ziel - und welche Ohnmacht, es zu erreichen!
    „Höre", bat er, heiser vor Qual, „du täuschest dich über mich, Gemma. Ich bin nicht so ehrlich wie du. Ich kann es nicht sein."
    „Würdest du das sagen, wenn du es nicht wärest?" „Ich bemühe mich in diesem Augenblick, es zu sein. Aber du darfst mich nicht zu schwer versuchen. Glaube, dein Verlobter, er mag kalt sein - er hat immer noch mehr gutes Gefühl als ich. Er ist dir immer noch verwandter." Da ihr Blick ablehnte:
    „Er mag in deine Kinderträume nicht zurückblicken können. Sei froh, daß er's nicht kann. Er wird dich um so gutgläubiger lieben, wie du jetzt bist, wenn er nicht das Talent hat, in dich hineinzulügen, was nicht mehr ist oder nie war."
    Sie ging wieder von ihm fort, sie setzte sich auf die Ottomane, verschränkte die Arme über dem Kopfpolster und stützte ihre Brust dagegen.
    „Nicht nur daher weiß ich über ihn Bescheid", sagte sie langsam und sah erweiterten Blicks in das Mondlicht. „Ich weiß es auch von seiner Geliebten." „Von der Trafetti?" fragte er rasch.
    „Ich bin zu ihr gegangen. Wundert dich das? Sie ist eine große Sängerin und eine schöne Frau. Ich habe gedacht, sie hat keinen Grund, mir nicht die Wahrheit zu sagen. Und sie ist die einzige, die sie mir sagen kann ... Nun, er ist schwach, er - vermag wenig. Wie soll ich dir das bezeichnen?"
    Er prallte zurück. ,Hält sie denn mich für einen Stier?' Sie deutete seine Bewegung.
    „Ich bin kein Kind, ich kann urteilen. Er gebraucht künstliche Reizungen und Hilfsmittel, verlangt von seinen Mätressen Dienstleistungen, die - die mir die Traffetti erst erklären mußte." „Ah! Ah! Sie hat dir's erklärt?"
    Er dachte: ,Ein junges Mädchen, das
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