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Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Titel: Kriegsklingen (First Law - Band 1)
Autoren: Joe Abercrombie
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sahen beinahe braun aus hinter ihm, so leuchtend rein war sein langer weißer Mantel, seine weißen Handschuhe und sein weißer Haarschopf. Er war schon über sechzig, zeigte aber keine Anzeichen des nahenden Alters. Jeder Zoll seines hoch aufgerichteten, glatt rasierten, wohl geformten Körpers war in makelloser Bestform.
Er wirkt wie ein Mann, der noch nie in seinem Leben von irgendetwas überrascht worden ist.
    Sie hatten sich schon einmal getroffen, vor Jahren, als Glokta zur Inquisition gestoßen war, und sein Gegenüber schien sich kaum verändert zu haben. Erzlektor Sult. Einer der mächtigsten Männer der Union.
Einer der mächtigsten Männer der Welt, sozusagen.
Hinter ihm, wie zwei übergroße Schatten, lauerten zwei riesige, schweigende, schwarz maskierte Praktikale.
    Der Erzlektor zeigte ein schmales Lächeln, als er Glokta aus der Tür schlurfen sah. Es sagte eine Menge aus, dieses Lächeln.
Milde Verachtung, mildes Bedauern, ein ganz leichter Hauch von Bedrohung. Alles außer tatsächlicher Erheiterung.
»Inquisitor Glokta«, sagte er und streckte die weiß behandschuhte Hand mit der Fläche nach unten aus. Ein Ring mit einem riesigen purpurnen Stein blitzte an seinem Finger.
    »Ich diene und gehorche, Euer Eminenz.« Glokta konnte es sich nicht verkneifen – er verzog das Gesicht, als er sich langsam vorbeugte, um seine Lippen auf den Ring zu drücken. Es war ein schwieriges und schmerzhaftes Manöver, das ewig zu dauern schien. Als er sich endlich wieder aufgerichtet hatte, sah Sult ihn ruhig mit seinen kalten blauen Augen an. Der Blick ließ erkennen, dass er Glokta schon jetzt komplett durchschaute und nicht besonders beeindruckt war.
    »Kommen Sie mit.« Der Erzlektor drehte sich um und rauschte den Korridor hinunter. Glokta humpelte hinterher, gefolgt von den schweigenden Praktikalen. Sult bewegte sich mit müheloser, fließender Selbstverständlichkeit; seine Mantelzipfel flatterten ihm graziös nach.
Drecksack.
Schon bald erreichten sie eine Tür, die seiner eigenen glich. Der Erzlektor schloss sie auf und ging hinein, die Praktikalen stellten sich rechts und links des Eingangs auf und verschränkten die Arme.
Eine private Unterredung also. Eine, deren Ende ich – vielleicht – nie erleben werde.
Glokta trat über die Schwelle.
    Es war eine mit weißem Gips verputzte, viel zu hell erleuchtete Kammer mit einer bedrückend niedrigen Decke. Sie hatte keine feuchte Ecke, dafür aber einen großen Riss, der über eine der Wände lief; ansonsten war der Raum völlig identisch mit seinem eigenen. Auch hier stand ein mit Kerben überzogener Tisch, billige Stühle, es gab sogar ebenfalls einen schlecht entfernten Blutfleck.
Ob sie die wohl überall aus Effekthascherei angemalt haben?
Einer der Praktikale zog die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss. Glokta hätte jetzt zusammenzucken sollen, blieb aber völlig ungerührt.
    Erzlektor Sult nahm elegant auf einem der Stühle Platz und zog sich einen dicken Stoß vergilbter Papiere über den Tisch heran. Er deutete mit der Hand auf den anderen Stuhl – auf den, der normalerweise den Gefangenen zukam. Glokta verstand diese subtile Andeutung durchaus.
    »Ich stehe lieber, Euer Eminenz.«
    Sult lächelte ihn an. Er hatte schöne, spitze Zähne, allesamt leuchtend weiß. »Nein, das tun Sie nicht.«
Jetzt hat er mich.
Glokta ließ sich ungelenk auf den Gefangenenplatz sinken, während der Erzlektor die erste Seite des Dokumentenstapels umblätterte, die Stirn runzelte und sanft den Kopf schüttelte, als sei er fürchterlich enttäuscht von dem, was er da sah.
Vielleicht die einzelnen Stationen meiner höchst abwechslungsreichen Karriere?
    »Ich hatte kürzlich Besuch von Superior Kalyne. Er war äußerst aufgebracht.« Sults harte, blaue Augen sahen von den Papieren auf. »Wegen Ihnen, Glokta. Er hat sich in dieser Hinsicht sehr deutlich geäußert. Er sagte mir, Sie seien eine unkontrollierbare Bedrohung, Sie handelten, ohne die Folgen zu bedenken, und Sie seien ein verrückter Krüppel. Er verlangte, dass Sie aus seiner Abteilung entfernt würden.« Der Erzlektor lächelte ein kaltes, gemeines Lächeln, wie Glokta es gewöhnlich seinen Gefangenen gegenüber zeigte.
Allerdings hat er wesentlich mehr Zähne.
»Er hatte dabei offenbar im Sinn, dass Sie … vollständig … entfernt würden.« Sie starrten sich über den Tisch hinweg an.
    Ist dies der Moment, in dem ich um Gnade winseln sollte? In dem ich mich zu Boden werfe und Ihre Füße küsse? Tja, mir
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