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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Andrea Schacht
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gefallen, als von ihnen verachtet zu werden.
    Es gelang ihm nicht. Sie drehte sich um und starrte ihn mit großen Augen an. Dann kam sie langsam näher. Neugier spiegelte sich in ihrem Gesicht, als sie ihn aufmerksam musterte.
    Cornelius war ein ansehnlicher junger Mann, groß und hager, doch hielt er sich aufrecht und hatte breite Schultern. Sein Haar trug er seit Langem kurz geschnitten, des Zopfes hatte er sich schon früh entledigt. Jetzt fielen seine dunkelbraunen, fast schwarzen Haare ungekämmt auf seine Schultern. Sein Gesicht war es allerdings, das die Aufmerksamkeit vieler Menschen auf sich zog. Denn die Laune der Natur wollte es, das sich seine rechte Braue höher wölbte, als die linke, der nämliche Mundwinkel sich aber ein wenig mehr nach unten zog als der andere, und selbst die Nase neigte sich eine Idee weiter nach rechts, sodass er von der einen Seite betrachtet wie ein gut aussehender, aber gelangweilter junger Mann aussah, von der anderen Seite jedoch einen reichlich sardonischen Ausdruck zeigte. Janusköpfig hatte man ihn oft genannt, nach dem römischen Gott der zwei Gesichter.
    »Haben Sie sich an meinem Elend nun genug ergötzt?«, fragte er das Mädchen, als es nahe an das Holzgerüst mit dem Schandpfahl herangetreten war.
    Sie fuhr zusammen und errötete. »Verzeihen Sie. Ich wollte nicht unhöflich sein.«
    »Sie sind es aber.«
    Sie nickte und sah dennoch herausfordernd nach oben, um zu entziffern, was auf dem Zettel an dem Pfahl geschrieben stand.
    »Hermann Cornelius von der Leyen, Falschspieler«, las sie laut. Dann sah sie die Wunde. »Mein Gott, man hat Sie gebrannt!«
    »Das tut man mit Verbrechern, mein Fräulein.«
    »Es muss entsetzlich schmerzen.«
    »Das stimmt.«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf, kramte in seinem Retikül herum und förderte ein Taschentuch zu Tage. Sie sah noch einmal zu ihm hin, als ob sie sich vergewissern wollte, dass er nicht fortlief, und eilte dann zu dem nahen Brunnen, um das Leinen ins Wasser zu tauchen. Mit dem nassen Tuch kehrte sie zurück und legte es sacht auf die brennende Stelle. Cornelius seufzte unwillkürlich.
    »Tue ich Ihnen weh?«
    »Nein, mein Fräulein. Es hilft. Danke. Aber Sie sollten so etwas nicht tun. Es gehört sich nicht.«
    »Ich weiß.«
    Trotz allem musste Cornelius lächeln. »Eine barmherzige Samariterin.«
    »Ich wünschte, ich hätte einen Becher. Sie haben bestimmt auch Durst.«
    »Habe ich, aber in Anbetracht der Umstände möchte ich lieber nichts trinken. Ich muss noch weitere drei Stunden hier ausharren. Eine volle Blase erleichtert das nicht eben.«
    »Oh.«
    Er grinste sie herausfordernd an.
    »Sie haben natürlich Recht«, antwortete sie mit Würde und brach dann in ein kleines Kichern aus. »Man denkt so wenig über solche Sachen nach, wissen Sie.«
    »Ehrbare Bürgerinnen wie Sie brauchen das auch nicht. Bleiben Sie also auf dem Pfad der Tugend, mein Fräulein.«
    »Ich werde es mir überlegen. Werden Sie auf besagten Pfad zurückkehren, Herr von der Leyen, wenn man sie hier losmacht?«
    »Mein Weg ist vorgezeichnet.«
    »Was werden Sie tun? – Entschuldigen Sie, ich bin grässlich neugierig.«
    »Ich werde meine Strafe antreten.«
    »Wie bitte? Ist das hier nicht Strafe genug?«
    »Nein, mein Fräulein, man befand mein Vergehen schwer genug, um über mich weitere zehn Jahre eine Kettenstrafe im Bagno zu verhängen.«
    »Allmächtiger Gott!«
    »Keine rosigen Aussichten, ich weiß.«
    »Das ist entsetzlich! Das ist barbarisch!«
    »Das ist das geltende Recht. Ob es gerecht ist …?« Er hob die unverletzte Schulter und verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln.
    »Haben Sie denn keine Freunde, die Ihnen helfen können?«
    »Man verliert schnell seine Freunde, wenn man Pech hat. Sie sollten nicht hier bei mir bleiben. Es ist sicher nicht im Sinne Ihrer Eltern, wenn Sie alleine über den Richtplatz wandern.«
    »Sie werden von ihrem Platz im Himmel über mich wachen, stelle ich mir vor.«
    »Eine Waise? Sie verloren Ihre Eltern?«
    Das Mädchen wies auf den Dom. »Er forderte das Leben meines Vaters. Sein totgeborener Sohn das meiner Mutter.«
    Cornelius kam nicht mehr dazu, ihr zu antworten. Aus den Passanten trat eine ältere Dame in einem nüchternen grauen Kleid hervor und zischte zu dem Mädchen hoch: »Sarah Susanne! Komm sofort da herunter!«
    »Sogleich, Madame«, beschied sie die Aufgebrachte und wandte sich noch einmal an Cornelius. »Meine Gouvernante. Ein Brechmittel.«
    »Der Ruf der Tugend,
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