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Kraut und Rübchen - Landkrimi

Kraut und Rübchen - Landkrimi

Titel: Kraut und Rübchen - Landkrimi
Autoren: emons Verlag
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zur Eingangstür. Das Schloss klemmte und gab erst einem vehementen Dagegenstemmen nach.
    Im Flur roch es anders, als ich es erwartet hatte. Acht Wochen waren eine lange Zeit. Zu lange für ein altes Gemäuer, um nicht gelüftet zu werden. Aber statt Muff und Staub empfingen mich frische Luft und ein Hauch von Kräuteraroma. Ich ging ein paar Schritte ins Dunkel des Hausflurs und parkte Kater und Koffer. Ehe ich Herrn Hoppenstedt auch nur kurzfristig in die Freiheit entließ, um seinen Transporter sauber zu machen, wollte ich die Lage überprüfen.
    Ich drückte den Bakelitschalter nach unten, und eine funzelige Lampe glomm auf. In meiner Wohnung besaß ich keine einzige Energiesparlampe. Ich hasste dieses diffuse Licht und hatte mich nicht von den falschen Fakten seitens der Industrielobby einlullen lassen. Seit dem Tod der Glühbirne hatte ich nur Halogen und LED eingesetzt. Erstens gaben die vernünftigeres Licht, und zweitens waren sie deutlich umweltfreundlicher und energiesparender. Hier alles umzurüsten, würde allerdings ein paar Euro kosten.
    In der Küche hatte jemand nach Marions Tod aufgeräumt. Auf dem Tisch unter dem Fenster stapelten sich Briefe und Werbezeitschriften, als ob Marion nur in Urlaub und nicht für immer verreist wäre. Die Stühle waren ordentlich herangeschoben, die Lehnen berührten die Kanten. Die Spüle war leer, die weiße Keramik glänzte. Auf dem Herd stand ein Wasserkessel. Bündel getrockneter Kräuter hingen an einer Schnur über dem Herd. Brotkasten und Kühlschrank waren geleert, geputzt und ihre Türen mit verschlungenen Geschirrtüchern am Zufallen gehindert worden. Der Wasserhahn tropfte leise in die Stille hinein. Ich kam mir fremd vor. Ein Eindringling.
    Ich wandte mich um und ging am Kater vorbei durch den Flur. Herr Hoppenstedt maunzte. Ich vertröstete ihn und stieß mit der flachen Hand die Wohnzimmertür auf. Auch hier nichts als penible Ordnung, die zeigte, wie lange Marion bereits tot war. Der zweite Name meiner Tante war Chaos. Ihre vielen Interessen, ihre Agilität und Energie hatten sich immer auch in ihrer Umgebung gespiegelt. In meiner Erinnerung lagen Bücher aufgeschlagen übereinander, Zeitschriften in wilder Reihenfolge unter der Ablage des Wohnzimmertisches, und Notizzettel, CD -Hüllen, Entwürfe von Plakaten und politischen Spruchbändern bevölkerten Boden und Ablageflächen. Bei meinen wenigen Besuchen in den letzten Jahren hatte ich den Raum immer so vorgefunden. Marion hatte Aufräumen für eine Verschwendung von Zeit gehalten. Zeit, die man – beziehungsweise sie – deutlich effektiver und nutzbringender einsetzen konnte. Jetzt hatte der Raum die Erinnerung an Marion bereits verloren, er war nur noch der Ort, an dem sie einmal gelebt hatte.
    Trotz Herrn Hoppenstedts Protesten stieg ich an ihm vorbei in die erste Etage des kleinen Hauses. Niedrige Decken, kleine Kammern. Ein Schlafzimmer, ein Bad. Alles einfach, schlicht und sauber.
    Vor der letzten der drei Türen blieb ich kurz stehen. Der geheime Raum, so hatte ich ihn als Kind genannt. Geheimnisvoll. Ein bisschen unheimlich. Ich betätigte die Klinke und trat ein. Büchertürme lehnten sich aneinander, deckenhohe Regale bogen sich unter ihrer Last. Kleine Zeichnungen von Kräutern und Heilpflanzen hingen in alten Rahmen an den wenigen freien Stellen an den Wänden. Vor dem Fenster stand Marions Schreibtisch mit der alten Tintenfeder, die sie zur Dekoration an den Rand der Platte gestellt hatte. Daneben eine schmale Vitrine, in der sie ihre Schätze aufbewahrte. Eine silberne Dose, ein Mörser, eine Holzschale. Ein altes Messer mit abgewetztem Holzgriff, an dessen Klinge der Rost nagte. Die Vitrinentür stand einen Spaltbreit offen. Staub hatte sich auf den Gegenständen und den Glasregalen niedergelassen. Das unterste Bord war leer. Eine staubfreie rechteckige Fläche zeigte an, dass hier etwas fehlte. Eine Kiste? Ich sah mich um. Ohne Erfolg. Wer auch immer die Kiste aus dem untersten Regal genommen hatte – er hatte sie nicht einfach im Raum abgestellt, sondern mit sich genommen. Vielleicht derjenige, der hier für Ordnung gesorgt hatte. Jemand, der sich in diesem Haus augenscheinlich besser auskannte als ich. Ich schauerte, schlang die Arme um meinen Oberkörper und fühlte mich unwohl. Sollte ich wirklich hierbleiben wollen, wartete eine Menge Arbeit auf mich. Vermutlich war es mit Streichen und dem Umräumen und Aussortieren von Möbeln nicht getan. In der Treppe wohnten die
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