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Kopernikus 3

Kopernikus 3

Titel: Kopernikus 3
Autoren: H. J. Alpers
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und ein Ungläubiger sich einträchtig die Hände reichen? Kann es eine Brücke geben zwischen dem Tempel Gottes und den Götzenbildern der Heiden? Der Tempel des lebendigen Gottes ist in uns. Also spricht Gott: „Ich werde unter ihnen leben und wandeln; ich will ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“ Dieses sagt dir …
    Jemand schoß auf den kleinen Jungen. Er saß auf den Händen der Priester, die Beine übereinander gekreuzt.
    „Er ist ganz schön imponierend.“
    „Er sollte es bis in die Dreißiger schaffen.“
    „Nicht auf diese Weise.“
    Weitere Schüsse. Eine Explosion. Der kleine Junge schrie und weinte und versuchte, sich loszureißen. Die Priester hielten ihn fest, preßten seine Beine in die Lotusstellung und legten seine Arme über Kreuz. Die Menge johlte und tobte, kurz davor, Amok zu laufen und alles niederzutrampeln. Fleitman sah einige der Kinder. Sie schienen Spaß an dem Ereignis zu haben.
    Fleitman arbeitete sich mit den Ellenbogen bis zum Rand der Menge durch. Es blieben ihm nur noch ein paar Minuten, bis die Menge losrennen würde, alles niedertrampelnd, was sich ihr in den Weg stellen würde.
    „Es ist nichts ohne Dornen!“
    Fleitman drückte sich gegen die Wand des Gebäudes, um mit ihrer Grauheit zu verschmelzen.
    Weitere Schüsse. Das Gesicht eines Priesters explodierte. Kaum wahrnehmbares Lachen von Kindern. Fleitman schloß die Augen; wenn er sie nicht sehen konnte, dann konnten sie ihn auch nicht sehen.
    Die Menge löste sich auf; sie wußte nicht, wie sie über das Schicksal des neuen Königs entscheiden sollte. Das Geschrei verebbte, und die Menge verschwand langsam und allmählich aus dem Blickfeld.
    Die Schatten waren alle verkehrt. – De Chiricos Geheimnis und Melancholie einer Straße. Natürlich waren die Schatten verkehrt. Fleitman wartete, bis das kleine Mädchen, das einen Reifen vor sich herrollte, aus einem Schatten hervorkam. Sie rief: „Ich bin Bozena Boobs. Wollen Sie es tun?“
    Fleitman ging weiter. Er würde nach anderen Leuten suchen. Die augenlosen Häuser standen über ihm und beobachteten ihn, noch nicht bereit, zusammenzustürzen und ihn zu zermalmen.
    Mit einem Fußtritt beförderte er einen Plastikbehälter mit Müll aus seinem Weg und bog um eine Ecke. Die Fußgängertransportbänder waren in Betrieb. Er trat auf die Rampe und schloß die Augen zu einem Schlitz, bis die Häuserwände wie ein verschwommener grauer Wall an ihm vorbeihuschten. Eine alte Frau mit Paketen trat vor ihm auf das Band. Dann noch eine. Dann ein Junge und ein paar Teenager. Neben ihm stand händehaltend ein Pärchen. Eine Prostituierte berührte ihn sanft am Arm. Er sprang auf ein schnelleres Band über. Aber das Band war voller Menschen. Man konnte kaum atmen. Fleitman stieß die Leute beiseite und arbeitete sich zu einem Ausfahrtband vor. Er sprang ab, ohne auf die Bettler und Zuhälter zu achten.
    Die Häuser waren düster und sahen alle gleich aus. Es stank fürchterlich nach Abwässern, faulem Fleisch und Tabak. Darunter mischten sich Weihrauch, Schweiß und Abgase von Hilfsmotoren. Hinter den Verkaufstischen der Händler türmten sich Berge süßlich und beißend riechender Nahrungsmittel: Süßigkeiten und Öle, synthetische Früchte und stinkende Bonbons. Fleitman sah, wie drei Mädchen auf einem Podium auf der Straße tanzten. Ihre Körper waren mit Öl eingerieben; grelle Tätowierungen verzierten ihre gepuderte weiße Haut. Zu seiner Rechten befand sich ein einigermaßen ansehnliches Geschäft mit einer Säulenhalle aus Holzimitation. Das große Schaufenster war bunt umrahmt, um Kunden anzulocken. Über der Tür blinkte in regelmäßigen Abständen ein antikes Zeichen auf. Fleitman verstand den Sinn des Zeichens nicht.
    Ein glatzköpfiger Händler saß vor dem Geschäft und verkaufte geröstetes Brot. Ein kleines Mädchen ging auf Fleitman zu. Sie riß mit einer wütenden Gebärde ein Stück Brot von einem Laib los und stopfte es sich in den Mund. Fleitman dachte an die Nahrungsmaschine in seinem Apartment. Er sehnte sich plötzlich nach einem Stück Brot: Sein Appetit wurde noch angeregt von dessen Unansehnlichkeit. Das Mädchen ging an ihm vorbei. In seinen Haaren wimmelte es von winzigen, silbrig glänzenden Läusen.
    Fleitman hielt Ausschau nach einem Transportband, aber die meisten Nebenlinien waren nicht in Betrieb. Er ging zu Fuß. Er kam durch zahllose Straßen mit Märkten, Rummelplätzen und Bordellen. Dann und wann sah er dazwischen
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