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Königskinder (German Edition)

Königskinder (German Edition)

Titel: Königskinder (German Edition)
Autoren: Erica Fischer
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war mit Brettern verschlagen. Das Schiff sah aus wie ein Sarg.»
    Der in sich überschlagenden Worten erzählt, ist ein junger Italiener aus Bozen, der das traumatische Erlebnis gut überstanden zu haben scheint und die gespannte Aufmerksamkeit genießt, mit der die Männer seinem Bericht lauschen.
    «Bei der Einschiffung haben sie uns alle Sachen weggenommen, aber wir dachten, auf der Isle of Man – oder wo auch immer – würden wir sie schon wiederbekommen. Mein Vater war Matrose, daher kenne ich mich ein bisschen aus. Die Arandora Star war heillos überladen, das konnte man gleich sehen. Wir waren über 1500 Internierte – Italiener, Deutsche, Österreicher, auch Nazis und Faschisten, aber die meisten wie ich anständige Leute, das könnt ihr mir glauben. Unter den Deutschen und Österreichern waren viele Juden. Das Schiff hatte kein Rotes Kreuz aufgemalt, wie es sein sollte, wenn Kriegsgefangene an Bord sind. Aber ansonsten ist alles gut angelaufen, das Essen hat geschmeckt, und wir haben sogar Drinks bekommen. Wenn das so weitergeht, habe ich gedacht, dann soll’s eben Kanada sein.
    Am frühen Morgen des zweiten Tages dann ein wilder Zickzackkurs, der Kapitän wusste, dass wir uns in gefährlichen Gewässern befanden. Aber vielleicht war es gerade dieser auffällige Kurs, der das U-Boot auf uns aufmerksam gemacht hat. Und wegen der beiden Kanonen hielt es uns wahrscheinlich für ein Kriegsschiff. Wenn der deutsche Kapitän gewusst hätte, dass wir Kriegsgefangene sind, hätte er uns bestimmt nicht beschossen.»
    «Na, na, da bin ich mir nicht so sicher», murmelt einer.
    «Und dann? Wieso sind denn so viele ertrunken? Ihr wart doch nahe an der irischen Küste.»
    «Die Italiener waren in den unteren Decks zusammengepfercht. Ich habe mich unter die Deutschen gemischt, die waren weiter oben untergebracht. Mir war klar, dass ich dort bei einem Torpedoangriff eine größere Überlebenschance hätte. Damit muss man im Krieg rechnen. Die Italiener dort unten würden wie die Ratten absaufen. Und so ist es dann gekommen. Viele haben noch geschlafen, als es knallte. Das ist ein Volltreffer, habe ich mir gleich gedacht. Das Schiff ist sofort stehengeblieben, also sind die Turbinen getroffen worden, und das Licht ist ausgegangen. Stockfinster war es, nicht einmal ein Notlämpchen hat gebrannt, Glassplitter überall, und aus den geplatzten Rohren kam stinkender Qualm. Ansonsten totale Stille. Keine Notfallanordnungen, nichts. Wir waren uns selbst überlassen. Also nichts wie an Deck! Auch unsere Treppe war mit Stacheldraht verbarrikadiert, aber irgendwie habe ich es geschafft. Draußen stand ein englischer Soldat, mit aufgepflanztem Bajonett, der sich nicht getraut hat, seinen Posten zu verlassen. ‹Lauf! Rette dein Leben!›, habe ich ihm noch zugerufen.
    Das Geschrei, die Todesangst der Eingeschlossenen weiter unten werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Oben haben sie sich um einen Platz in den Rettungsbooten und Flößen gerauft. Sie haben auch auf Leute geschossen, die zu einem Boot wollten, das für die englischen Soldaten reserviert war. Nicht einmal Rettungsringe und Schwimmwesten gab es genug. Und weit und breit kein Offizier oder Seemann, der uns geholfen hätte. Niemand hat uns erklärt, wie man die Schwimmwesten anlegt. Männer sind ins Wasser gesprungen und haben sich beim Aufschlagen das Genick gebrochen. Ich habe auch gesehen, wie Soldaten die Taue, an denen ein Rettungsboot befestigt war, mit einer Axt durchschlagen haben, als das Boot noch in der Luft hing. Es ist dann hinabgestürzt, und alle Insassen sind ertrunken. Die Nazis waren natürlich besser organisiert als wir Italiener. Sie hatten einen Kapitän als Anführer und sind in Zweierreihen aufs Deck. Unter ihnen viele Seeleute, die sich sofort ein paar Rettungsboote gesichert und auch heil zu Wasser gelassen haben.
    Als ich gemerkt habe, dass das Schiff kippt und rasch sinkt, bin ich eine Strickleiter hinuntergeklettert und ins Meer gesprungen. Und schnell weggeschwommen, damit mich der Sog des Wassers, das in das Schiff einströmt, nicht in den Schiffsleib zieht. Als Kind hat mir mein Vater Geschichten über den Untergang der Titanic erzählt, und die Sache mit dem Sog ist mir sofort eingefallen. Ältere Männer sind einfach oben an der höchsten Stelle stehen geblieben und haben gewartet, bis das Wasser sie verschlingt. Wahrscheinlich konnten sie nicht schwimmen, viele Italiener können nicht schwimmen. Später habe ich gehört, dass einer
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