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Königsjagd

Königsjagd

Titel: Königsjagd
Autoren: Jack Higgins
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saß er am Schreibtisch seines Büros in der Prinz -Albrecht-Straße und trug noch die Galauniform eines SS-Obergruppenführers, denn er hatte gerade mit Hitler in der Reichskanzlei gespeist. »Ah, da sind Sie ja, Schellenberg«, sagte er leutselig. »Wie ich höre, waren Sie heute abend sehr beschäftigt. Sie haben sich ritterlich um die kleine amerikanische Sängerin bemüht, um dieses Fräulein Winter...«
      »Gibt es eigentlich etwas, das Sie nicht wissen?« sagte Schellenberg. »Es ist noch kaum eine halbe Stunde her!«
      »In unserer bösen Welt überlebt man nur, wenn man alles weiß, was es über alles und jeden zu wissen gibt, mein lieber Schellenberg.«
      »Was in diesem Fall zu bedeuten scheint, daß die Leute, die für mich arbeiten, zuerst zu Ihnen kommen, um Meldung zu erstatten.«

      »Selbstverständlich«, lächelte Heydrich. »Erzä hlen Sie mir von ihr. Wie lange wird sie schon beschattet?«
    »Seit ihrer Ankunft. Zwei Monate.«

      »Und sie hat Ihnen wirklich die kleine Inszenierung von heute abend abgekauft?«

    »Ich glaube, ja.«
      »Was wollen Sie eigentlich von ihr? Einlaß in ihr Kämmerlein oder Informationen?«

      »Sie wissen doch, daß wir es auf ihren Onkel abgesehen haben«, antwortete Schellenberg. »Die Tatsache, daß er amerikanischer Staatsbürger ist, kompliziert die Angelegenheit.«
      »Aber er ist gebürtiger Deutscher«, rief Heydrich ungeduldig. »Ich habe seine Akte gesehen, und Bürger des Reichs haben nicht das Recht, die Nationalität zu wechseln.«

      »Die Amerikaner könnten da anderer Ansicht sein«, sagte Schellenberg. »Und es ist kaum der geeignete Zeitpunkt, Washington zu verstimmen.«

      »Sind wir in der Sache Winter nun weitergekommen oder nicht?«

    »Nicht richtig. Wie Sie seiner Akte entnehmen können, besuchte er als junger Mann die Berliner Universität und war Mitglied der Kommunistischen Partei. Ich glaube, er ist ein Agent der Sowjets. Er hat zweifellos etwas mit dem bolschewistischen Untergrund zu tun, und wahrscheinlich hilft er auch mit, Juden illegal aus dem Reich zu schleusen.«
    »Worauf warten Sie dann? Verhaften Sie ihn.«

      »Noch nicht«, sagte Schellenberg. »Wenn wir noch ein bißchen Geduld haben, bekommen wir nicht nur ihn, sondern seine ganze Organisation dazu. Er wird rund um die Uhr überwacht.«
      Heydrich runzelte die Stirn, nickte dann. »Sehr gut. Ich gebe Ihnen noch eine Woche. Sieben Tage, und dann...« Er stand auf. »Was steht jetzt auf Ihrem Programm?«
      Schellenberg wußte, was nun kommen würde. »Nach Hause gehen und mich hinhauen«, antwortete er trotzdem.
      »Unsinn.« Heydrich grinste. »Der Abend ist noch jung. Wir machen einen kleinen Zug durch die Gemeinde. Schenken Sie sich ein Glas ein, ich ziehe nur schnell Zivil an.«
      Er ging hinaus, und Schellenberg seufzte, trat an den Barschrank und griff zu einer Flasche Scotch.
      Er war in Saarbrücken geboren - 1910, als Sohn eines Klavierbauers. Kultiviert, intelligent und sprachbegabt, hatte er sich mit neunzehn Jahren an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn eingeschrieben, zwei Jahre später aber begonnen, Rechtswissenschaften zu studieren.
      Der vielversprechende, aber mittellose junge Mann sah eine Chance, als die NSDAP 1933 an die Macht kam: Er ging auf den Vorschlag eines seiner Professoren ein, der SS beizutreten. Seine Sprachbegabung erregte die Aufmerksamkeit Heydrichs, der ihn sofort zum SD abstellte, wo er eine kometenhafte Karriere machte.

    Eine Reihe erfolgreicher Geheimdienstoperationen hatte Schellenbergs Stellung gefestigt, vor allem das UnternehmenVenlo im Jahr 1939, bei dem er einen Angehörigen des Widerstands gespielt hatte, um das Vertrauen von drei in Holland tätigen Agenten des britischen Geheimdienstes MI 5 zu gewinnen. Das fü hrte dazu, daß die drei Männer von SSLeuten auf deutsches Gebiet verschleppt wurden.

      Vom Führer persönlich dekoriert, war er zum Brigadeführer und Polizei-Generalmajor befördert worden, obgleich er erst dreißig Jahre alt war. Er hatte selbstverständlich Feinde, aber Heydrich und dessen Frau mochten ihn so sehr, daß sie ihn in die maßgeblichen Berliner Kreise einführten. Das kostete freilich seinen Preis, nicht zuletzt die gelegentlichen nächtlichen Touren mit Heydrich, der einen kaum zu stillenden sexuellen Appetit hatte und sich am wohlsten fühlte, wenn er die Bars und Nachtclubs vom Kurfürstendamm und Alexanderplatz unsicher machen
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