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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder
Autoren: Melanie Lahmer
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versteckt worden, aber er hatte sogleich den unnatürlich aussehenden Haufen kleiner Äste und Zweige entdeckt: ein typisches Anzeichen für ein Geocachingversteck. »Der Schatz ist sicher noch da, du musst dich nur genauer umschauen.«
    Jannik stützte sich auf den Stock. »Hast du was gesehen?«
    Martin blickte zu Boden, als hätte er die Frage nicht gehört. Es machte ihm große Freude, Jannik beim Suchen und Finden zu beobachten. Mitunter brauchte der Junge mehrere Minuten, um selbst die Verstecke zu entdecken, die geradezu ins Auge sprangen. Und je länger er suchte, desto größer war seine Freude, wenn er den Schatz gefunden hatte.
    »Du darfst mir aber nichts verraten, Papa. Ich will den Cache allein finden!«
    Jannik drehte sich im Kreis, bückte sich und grub mit seinen kleinen Händen in den Nadelhaufen auf dem Waldboden. Ein Eichelhäher saß in einigen Metern Entfernung auf einem Ast, als wollte er dem Jungen bei der Suche zuschauen.
    Plötzlich hielt Jannik abrupt inne. »Ich hab den Schatz, Papa; hier ist er versteckt!«
    Der Eichelhäher keckerte und flog davon, als der Junge aufgeregt den Reisighaufen beiseiteschaufelte. Braune Blätter stoben umher, und Staub lag in der Luft.
    Inzwischen war ihnen Katharina mit Elias gefolgt. Sie stellte sich neben Martin, und er spürte plötzlich ihre Wange an seiner Schulter.
    »Ist er nicht süß?«, hauchte sie ihm ins Ohr.
    Martin war völlig irritiert. Warum tat sie auf einmal so, als sei alles in Ordnung, nachdem sie noch eben mit ihm heftig gestritten hatte? Unsicher drückte er ihren Oberarm. Elias setzte sich zu ihren Füßen und stocherte nun ebenfalls im Dreck.
    Jannik hantierte mit seinem Fundstück, einer Frischhaltedose, und Martin wartete auf das charakteristische »Plopp«, wenn beim Öffnen die Luft entwich. Aber das Geräusch blieb aus. Wahrscheinlich war die Dose bereits kaputt, und wenn sie Pech hätten, wäre der Inhalt feucht und verschmutzt.
    »Mama, Papa, was ist das?«, rief der Junge; seine Stimme klang beunruhigt.
    Katharinas Oberkörper versteifte sich. Sie löste sich von ihrem Mann und ging mit schnellen Schritten zu Jannik.
    Martin folgte ihr rasch. »Zeig mal her«, sagte er und nahm seinem Sohn die Dose aus der Hand.
    Erwartungsvoll blickte er in das Oval aus transparentem Kunststoff. Reflexartig zuckte er zurück, als beißender Geruch in seine Nase stieg. Modrig, organisch. Dann sah er die Insekten, dazwischen ein Stück Fleisch. Daumendick. Zwischen hellroten Gewebefetzen, braunen Blutkrusten und angeschwärzten Geweberändern war ein weißer Knochen zu erkennen.
    Katharina schrie auf, als auch sie den Inhalt der Dose sah.
    Martin blickte starr in den stinkenden Behälter.
    Ein Käfer spreizte die irisierenden Flügel. Er krabbelte über den Dosenrand, fiel auf den Waldboden und verschwand im Unterholz.

Kapitel 2
    »Ihrem Versetzungsantrag kann leider nicht entsprochen werden. Pah!«
    Natascha Krüger warf den Brief auf den Schreibtisch und sprang empört auf. Ihr Bürostuhl rollte polternd gegen das Metallschränkchen hinter ihr. Sie drehte sich um und gab ihm noch einen Tritt.
    »Ich muss erst meinen Erstverwendungsdienst beenden, bevor ich mich weiterbewerben kann!«, rief sie mit scharfer Stimme. »Scheiß-Bürokraten!«
    Ihr Kollege Jörg Lorenz lehnte sich in seinem Stuhl zurück, der ein asthmatisches Geräusch von sich gab. »In diesen sauren Apfel müssen alle Berufsanfänger beißen. Das wusstest du doch vorher, du kennst schließlich die Vorschriften.«
    »Aber die hätten doch für mich eine Ausnahme machen können! Diese Möglichkeit gibt es nämlich!« Natascha funkelte ihren Bürokollegen an. Wieso musste er alles besser wissen?
    Lorenz griff zu einer Dienstmütze, die schon seit Ewigkeiten hinter ihm auf einem halbhohen Regal lag, und setzte sie auf. Dabei fiel eine der beiden Schildkröten aus Plüsch um, die dort standen.
    »Melde mich gehorsamst zum Dienst, Kommissarin Krüger!«
    Manchmal sah er selbst aus wie eine Schildkröte, fand sie. »Das ist nicht witzig!«
    Enttäuscht zog sie ihren Schreibtischstuhl an seinen Platz und setzte sich wieder. Sie stützte ihr Kinn in die Hände und blickte Lorenz trotzig an. Er grinste aufreizend. Dass sie ihrem Kollegen direkt gegenübersaß, fand sie nicht immer gut.
    »Was ist, warum guckst du so?«, wollte sie wissen.
    »Du erinnerst mich an meine Schwester.«
    »Ach, und warum?«
    »Sie hat sich immer ein Pferd gewünscht und unsere Eltern damit ganz schön
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