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Knight 02 - Stuermisches Begehren

Knight 02 - Stuermisches Begehren

Titel: Knight 02 - Stuermisches Begehren
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sie wusste sogar mehr als der arrogante Dorf- arzt.
    „Also dann“, sagte die alte Frau, während sie Harry beru- higend übers Haar strich, „je eher Sie aufbrechen, desto frü- her kommen Sie zurück. Ich werde Mitchell anweisen, die Pferde anzuspannen.“ Sie bückte sich, hob den Knaben hoch und sang ihm leise ein Lied vor, um ihn von den juckenden

Pusteln abzulenken.
    Alice raffte die Röcke und eilte in ihr Zimmer hinauf. Energisch packte sie eine Tasche für eine Nacht, legte Schür- ze und Morgenkleid ab und schlüpfte in ihr hübsches Reise- kleid aus dunkelblauer glänzender Baumwolle. Es hatte lan- ge, enge Ärmel mit einer kleinen Oberarmpuffe und war am Saum mit Bändern aufgeputzt.
    Während sie vor dem Spiegel stand und das hochgeschlos- sene Mieder zuknöpfte, bemerkte sie mit einem Stirnrun- zeln, dass ihre Hände zittern. Sie war es aber auch wirklich nicht gewohnt, allein zu reisen, und außerdem klang Caros dunkler Verführer ein bisschen beunruhigend. Ihm würde es sicher gar nicht gefallen, dass sie ihm ihre Schwägerin ent- reißen wollte. Aber obwohl Alice wusste, dass sie kein beson- ders mutiger Mensch war, würde sie um Harrys willen doch jedem standhalten.
    Sie streifte die nüchternen weißen Handschuhe über und straffte kampflustig die Schultern. Genieß deine Eskapaden, Caro, denn sie werden bald vorüber sein. Und was Sie an- geht, Lord Lucien Knight, wer Sie auch sein mögen, werde ich Ihnen bald riesige Schwierigkeiten bereiten. Sie hob die Tasche hoch und marschierte aus dem Raum.

2. KAPITEL
    Eine ganze Ewigkeit später saß Alice immer noch in der schwankenden Kutsche, die Hand am ledernen Halteriemen. Sie hatten Revell Court immer noch nicht gefunden. Der Vollmond beleuchtete die holprige, kurvenreiche Straße, die sich durch die Moore wand.
    Sie sah ständig aus dem Fenster, weil sie befürchtete, sie und ihre beiden Dienstboten könnten in dieser Ödnis von Straßenräubern überfallen werden. Sie hatten sich in den Mendip Hills hoffnungslos verfahren, weitab von jeder Zivi- lisation; durch ein Eichenwäldchen ging es eine Anhöhe hi- nauf zu einer rauen, windzerzausten Heide, dann wieder hi- nunter durch Hohlwege und Schluchten, ein ständiges Auf und Ab. Die erschöpften Pferde quälten sich in ihrem Ge- schirr voran, von feuchtkalter Nachtluft umgeben, und kei- ner wusste, wie lange die Reise noch dauern sollte. Alice wusste nur, dass sie Caro dafür den Hals umdrehen wollte. Sie tauschte einen angespannten Blick mit der Zofe Nellie, doch keine von beiden sprach aus, was sie dachten: Wir hät- ten in Bath übernachten sollen. Doch da sie es wirklich eilig hatten und Revell Court nur fünfzehn Meilen südwestlich von Bath liegen sollte, eine Entfernung, die sie in zwei Stun- den zurücklegen wollten, hatten Nellie, Mitchell und sie sich zum Weiterfahren entschlossen, obwohl die Oktobersonne schon untergegangen war.
    Jetzt, wo die Nacht immer schwärzer wurde, erkannte sie unruhig, dass sie, falls sie Revell Court je erreichten, dort übernachten mussten – vorausgesetzt natürlich, dass Lucien Knight ihnen seine Gastfreundschaft überhaupt anbot. Wer konnte schon sagen, was von einem Mann zu erwarten war, der eine Frau verführte, für die sein Bruder sich interessier- te? Sie konnte nur hoffen, dass er nicht so unchristlich war,

Reisende spät in der Nacht abzuweisen, denn sie und ihre Dienstboten waren hungrig, hundemüde und ihnen tat alles weh.
    Wenn sie an die heutige Fahrt dachte, musste sie mit dem Kopf schütteln. Seit sie Bath verlassen hatten, waren ihnen die seltsamsten Gefährte begegnet. Beinahe zwanzig Kut- schen – manche auffallend schick, manche grellbunt, man- che elegant – waren in halsbrecherischem Tempo an ihnen vorbeigerauscht, und die Passagiere hatten allesamt völlig betrunken oder wie verrückt gewirkt. Erwachsene Menschen hatten tatsächlich Grimassen geschnitten, ihnen die Zunge herausgestreckt oder ihnen Schimpfwörter nachgeschrien. Einfach unbegreiflich.
    Die Kutsche fuhr in ein weiteres düsteres Tal hinunter. Sie betrachtete die kahlen Silhouetten der Bäume, die sich in den dunkelblauen Himmel reckten, die im Mondlicht kno- chenweiß leuchtenden majestätischen Kalksteinfelsen, die Passstraße, die sich an die Bergflanke schmiegte, und den Abgrund auf der anderen Seite. Sie rutschte auf dem Sitz vor und starrte in die Schwindel erregenden Tiefen. Wenn man einen Stein hinunterwirft, überlegte sie, würde er bis nach unten ewig
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