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Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen

Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen

Titel: Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
Autoren: Evelyn Boyd
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Kofferraumklappe fest. Energisch schlug ich die Kofferraumklappe zu. Ich würde nicht zulassen, dass düstere Gedanken schon am ersten Tag meinen Aufenthalt überschatteten.
    Nachdem der Ort hinter mir lag, musste ich aufpassen, dass ich die Abzweigung nicht übersah. Ich hielt noch einmal auf einem Seitenstreifen an und warf einen letzten Blick auf die Karte. Es musste irgendwo in der Nähe sein.
    Kurz darauf entdeckte ich die schmale Straße zwischen den hohen Kiefern und bog ab. Zufrieden, dass ich den Weg auf Anhieb gefunden hatte, legte ich meine Lieblings-CD in den Player. Schräge Töne und die markante Stimme von Serj Tankian erfüllten den kleinen Wagen. Danach kam ein Lied von Pornophonique . Ich sang den Song aus vollem Hals mit. »Sometimes I fear the reaper, sometimes, I am afraid to die. I think it‘s time to leave my love one, I think it‘s time to say goodbye …«
    Die Straße wurde immer enger und die Bäume entlang der Fahrbahn immer dichter. Bald endete die asphaltierte Strecke und wurde zu einer regelrechten Schotterpiste. Vorsichtig lenkte ich mein Auto um die Kurven, die durch dicht stehende Kiefern kaum einzusehen waren. An einer Wegkreuzung hielt ich an, um mich neu zu orientieren. In welche Richtung ging es nun weiter? Ratlos schaute ich die beiden Waldwege entlang. Dann entdeckte ich den verwitterten Holzpfeil an einer Birke. Von der Aufschrift war nur noch das Å zu erkennen. Es hatte sich wirklich nichts verändert. Lächelnd gab ich Gas.
    Immer weiter schlängelte sich die holperige Sandpiste Richtung See. Zwischen den schattigen Bäumen konnte man hin und wieder das tiefe Blau des Wassers erspähen. Versteckt im Wald lagen einzelne Sommerhäuser mit der typischen, schwedenroten Farbe. Der Weg stieg nun etwas an und führte an zwei Häusern vorbei, die dichter an der Straße lagen. Die Fensterläden waren geschlossen. Es schien niemand mehr da zu sein. Die Sonne blitzte zwischen den Baumwipfeln hindurch. Ein Schild wies darauf hin, dass der Waldweg an dieser Stelle endete. Ich ließ den Wagen ausrollen und hielt kurz vor einer alten Holzbrücke an. Automatisch drehte ich den Kopf nach rechts und schluckte. Dort lag es: Das Sommerhaus meiner Kindheit. Der Rasen davor war gepflegt und wurde von der Sonne beschienen. Ein Kiesweg führte zwischen den Rasenflächen zur Haustür. Blumenkästen mit bunten Petunien standen auf der kleinen, überdachten Holz-Veranda.
    Direkt hinter dem Haus befand sich der See und ich konnte sogar das kleine Ruderboot am Anlegesteg entdecken. Rechts neben dem Haus stand ein hoher Fahnenmast, an dem die schwedische Flagge munter im Wind flatterte. Ich zwinkerte mehrmals und als das nicht reichte, kniff ich mich sogar in den Unterarm. »Au!«, entfuhr es mir. Aber alles blieb so wie es war. Es war kein Traum. Ich war wirklich da! Niemals hätte ich gedacht, dass ich dieses Haus noch einmal sehen würde. Dieses Bild wirkte nicht nur so unwirklich und kitschig, als ob es direkt aus einem Reisekatalog gerissen wäre, es sah auch noch alles genauso aus wie damals. Unentwegt starrte ich auf das Haus. Fast erwartete ich, meinen Vater gut gelaunt um die Ecke kommen zu sehen. Meine Hände klammerten sich um das Lenkrad. Ja, ich war wieder an dem Ort, den ich über alles geliebt hatte. Aber ich war allein. Niemals würde es wieder so sein, wie es einmal gewesen war. Ich kämpfte gegen meine Tränen an.
    Nach all den Jahren war ich zurückgekehrt.
    In diesem Moment wurde mir klar, dass es nicht so einfach werden würde, wie ich gedacht hatte. Einige Minuten saß ich reglos da und blickte durch die Scheibe auf das Grundstück. Dann straffte ich meine Schultern und stieg aus. Zögernd ging ich auf die weiße Holztür zu. Dort hing ein kleiner Willkommensgruß von Herrn Krångshult. Der Schlüssel lag unter der Fußmatte, wie immer. Ich schloss die Tür auf und blieb kurz im Hausflur stehen. Stille empfing mich und das wohlige Gefühl wieder zu Hause zu sein.
    Ich trat in die große, von Sonnenlicht durchflutete, Wohnküche. Winzige Staubflocken tanzten in der Luft. Auch drinnen schien sich nichts verändert zu haben. Der schwere Holztisch vor dem Fenster, an dem wir so oft gegessen hatten und die dunkle Küchenzeile mit dem altmodischen Herd standen noch immer an ihren angestammten Plätzen. Ich fuhr mit den Fingern über die Tischplatte und schloss die Augen. Eine Szene tauchte vor meinem inneren Auge auf: Mutter stand am Herd. Ich saß neben Ben an dem massiven
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