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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns
Autoren: Poul Anderson
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sein, Tauno?«
    Er löste seinen Gürtel. »Ich werde bei dir bleiben.«
    Sie schüttelte den Kopf. Jetzt, da er zitterte und stammelte, hatte sie eine seltsame Klarheit gewonnen (und sah sie nicht durchscheinender als je aus, wie ein Nebelgeist?). »Nein, Liebster. Ich werde in Träumen dahintreiben. Du könntest mich selten aufwecken und nie für lange. Und in dieser Grabesstille gibt es nichts, was du in deinem Meer gewohnt warst. Du würdest wahnsinnig werden.«
    Er fuhr fort, seine Kleider abzulegen. »Ich kann von Zeit zu Zeit an Land gehen.«
    »Ich glaube, das wäre schlimmer, als wenn du während der ganzen dunklen Zeit dort bliebest.«
    Eine Weile sah die Vilja den Sohn des Wassermanns unverwandt an. Sie war weise geworden, die kleine Nada, in dieser Dämmerung ihres Jahres.
    »Nein«, entschied sie endlich. »Warte auf meine Rückkehr. Das ist mein Wunsch.« Nach einer weiteren Pause: »Aber warte nicht in den Wäldern. Gehe zu den Menschen ... denn wir haben in diesen Bergen keine Elfenfrauen wie die, von denen du mir erzählt hast ... und
wie
oft habe ich dein Verlangen gesehen, das ich niemals stillen kann. Meine Träume dort unten werden glücklicher sein, wenn ich weiß, du bist mit einem lebendigen Menschen zusammen.«
    »Ich will keinen.«
    Entsetzen packte sie. Sie duckte sich wie unter einer Peitsche und jammerte: »Oh, Tauno, was habe ich dir angetan? Geh, solange du es noch kannst. Komm
niemals
zurück!«
    Er ließ das letzte Kleidungsstück fallen. Sein Messer lag über dem Speerschaft, und er trug nichts mehr als den Geisterknochen. Sie wich noch weiter zurück und bedeckte die Augen. »Geh, geh«, flehte sie. »Du bist zu schön.«
    Wie sich hohe Wellen vereinigen, traf ihre Verzweiflung auf seine und überwältigte ihn. »Bei den Netzen Rans«, stieß er hervor, »du bist mein! Ich mache dich dazu.«
    Er sprang vor und packte sie. Sie entzog ihren Mund seinen wilden Küssen. »Es ist der Tod für dich!« schrie sie.
    »Wieviel besser ist es zu sterben ... dann ist alles vorbei ...«
    Sie kämpften miteinander. Er war sich unklar bewußt, daß er zu wild mit ihr war, aber er war besessen. »Nada«, hörte er sich selbst rasen, »ergib dich, sei gut zu mir, das ist es, was ich will, und du wirst dich erinnern ...«
    Sie hatte sich aus seinem Griff gelöst, sie war ihm entschlüpft wie der Wind. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte auf das welke Gras. Als erden Kopf hob, sah er sie mehrere Schritte entfernt. Sie stand weiß vor dem farblosen Wasser und Himmel, den dunklen Bäumen, der gnadenlosen Kälte, in der sich um sie keine Atemwolke zeigte. Von ihrer rechten Hand hing der Talisman.
    Er richtete sich auf und taumelte in ihre Richtung. Sie glitt zurück. »Ich kann dir leicht davonlaufen«, warnte sie. »Lieber ist mir, wenn ich es nicht tun muß.«
    Er hielt inne und blieb schwankend stehen. »Ich liebe dich«, entrang es sich ihm.
    »Ich weiß«, sagte sie mit unendlicher Zärtlichkeit. »Und ich liebe dich.«
    »Ich wollte dir nichts antun. Ich wollte nur einmal, ein einziges Mal, wirklich mit dir zusammen sein – wenn wir uns für immer trennen müssen.«
    »Es gibt einen dritten Weg.« Ganz ruhig war sie geworden; sie lächelte. »Du hast mir von diesem Ding erzählt. Ich werde hineingehen, und dann kannst du mich immer bei dir haben.«
    »Nada, nein!«
    »Kann ich mir mehr Glück erhoffen, als an deinem Herzen zu liegen? Und vielleicht wird eines Tages ...« Sie brach ab. »Bleib stehen, wo du bist, Tauno«, bat sie. »Laß mich dich ansehen, so lange ich kann, und das soll das Hochzeitsgeschenk sein, das du mir gibst.«
    Er konnte nicht einmal weinen.
    Zuerst richtete sie ihre Augen ebensooft auf ihn wie auf das Stück Knochen aus eines toten Mannes Schädel, das sie in der Hand hielt. Aber langsam ergriff der Vogel aus der anderen Welt Besitz von ihr, bis sie schließlich nur noch auf ihn schaute, der über den zunehmenden Mond flog. Tauno sah, wie ihre jungfräuliche Gestalt immer geisterhafter wurde, bis er die Wildnis durch sie erkennen konnte, bis sie nur noch ein ganz schwacher Schimmer in der sich herabsenkenden Dunkelheit war. Und dann war sie verschwunden. Der Talisman fiel zu Boden.
    Er blieb noch eine Viertelstunde auf dem gleichen Fleck stehen, bis er es fertigbrachte hinzugehen. Er nahm das Amulett auf, küßte es und hängte es wieder dahin, wohin es gehörte.
     

9
    Auf der Heimfahrt stellte die Mannschaft der
Brynhild
fest, daß sich Frau Sigrid sehr verändert
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