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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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Wort vergeht er mehr und mehr. Ich dirigiere den Wind so, dass ich auf den Deckenresten lande. Ich hebe den Dolch auf und springe zu ihm. Drei Schritte von ihm entfernt lande ich in dem Chaos. Meine Lippen bleiben stumm, ich betrachte die Toten, denen er die Köpfe abgeschlagen hat.
    Er lehnt sich gegen ein zweites Regal. »Habe ich dir nicht versprochen, dass wir den Abschaum besiegen, Scylla?«, sagt er mit einem Lächeln. Sein eigenes Blut und das der Gegner hat ihn mit Flecken und Spritzern versehen, als habe man ihn mit roter Farbe aus einer Lackierpistole beschossen.
    Ich gehe neben einer halbierten Vampirin in die Hocke und drehe sie auf den Rücken, um ihr Gesicht zu betrachten. Sie gehörte zur Gattung der Nex, wie ich an den zerfetzten Lippen und den Zähnen erkenne. »Es werden sicherlich welche entkommen sein«, sage ich zu ihm. »Unser Sieg wird weitere Vampire anspornen, gegen uns anzutreten und uns besiegen zu wollen. Wer uns überwindet, wird unendlichen Ruhm ernten und von seinem Herrn die kostbarsten Geschenke erhalten.«
    Marek nickt langsam und verfolgt die Flocken in ihrem Flug. »Es wird keinem gelingen.«
    »Viel Erfolg.«
    »Was …«
    »Ich jedenfalls werde nicht hier sein, wenn sie kommen. Falls sie kommen. Es waren so viele, die wir vernichtet haben, es werden kaum mehr welche übrig sein. Der Pakt hat ihnen den Tod gebracht.« Ich erhebe mich. »Du stirbst ohnehin.«
    Er öffnet den Mund, kann nichts sagen und muss sich erst sammeln. »Scylla, wir haben es doch geschafft! Wir haben erreicht …«
    »
Du
wolltest etwas erreichen, nicht ich.« Ich gehe auf ihn zu. »Du wolltest mich von Anfang an zu einem echten Judaskindmachen, das so falsch und verlogen ist wie alle in der Cognatio – außer unserem Vater.« Meine Schritte sind langsam, ich stelle mir vor, wie ich seine Absichten unter meinen Sohlen zertrete. »Du hast mir mein altes Leben genommen, in mir Hass und Dunkelheit erweckt, um mich zur Mühle zu zwingen und mir zu zeigen, zu was ich fähig sein kann, wenn ich es zulasse. Und da denkst du wirklich, dass ich dir deinen innigsten Wunsch erfüllen werde?« Ich deute auf seinen Stumpf. »Das ist nur der Anfang deiner Strafe.«
    »Es ging mir immer nur um die Cognatio, die
du
zerstört hast.« Marek atmet schneller, seine Pupillen sind geweitet, gelegentlich trüben sie sich ein. »Du wirst die Kinder des Judas neu erstehen lassen. Es ist deine Pflicht!« Er erkennt meine Ablehnung und versucht, sich aufzurichten, doch er ist zu schwach. »Siehst du denn nicht, welche Chance dir gegeben wird? Du kannst eine Cognatio nach
deinen
Vorstellungen ins Leben rufen! Nach
deinen
Werten … von mir aus nach denen, wie sie unser Vater und seine Gespielin hatten.« Marek hat seine Taktik geändert. Weil er mit Appellen nicht weiterkommt, versucht er es mit der Verlockung. Er reckt bittend die Hand. »Ich bitte dich: Gründe die Cognatio neu!« Sein Kopf fällt zurück, dumpf schlägt er gegen das Holz. »Bitte«, fleht er. »Bitte, Scylla.« Er schweigt und ringt mit den Schmerzen. Die Kälte um uns herum kühlt auch mich und meinen Verstand. Die klaren Gedanken kehren zurück, und sie zeigen mir die Vorteile einer neuen Cognatio: Ich wäre die Ischariot, ich würde die Regeln aufstellen, und ich könnte meine unsterblichen Kinder forschen lassen, um der Menschheit zu dienen. So wie es mein Vater gewollt hätte.
    Dann sehe ich wieder die alten Gesichter der Heuchler vor mir … und Hendrik Lobitsch. Wie soll ich vermeiden, dass eins meiner Kinder, das der Cognatio beitreten könnte, sich im Geheimen so entwickelt wie er? Wie sollte es möglich sein, diejenigenin der Cognatio voneinander zu trennen, die mit mir einer Meinung sind und die nur so tun, als ob.
    »Niemals«, erwidere ich fest. »Du wirst mit diesem Wissen sterben: Sämtliche deiner Absichten sind gescheitert, Marek. Keine Cognatio, keine Kinder des Judas … und ich werde mir selbst das Leben nehmen. Ich lande so oder so in der Hölle.«
    »Nein«, ruft er, und seine vorgetäuschte Freundlichkeit ist weggewischt. Er zeigt die Fratze des Dämons, dem wir gehören. »Das kannst du nicht! Deine Nachfahren …«
    »Ich habe keine Kinder mehr«, unterbreche ich ihn. Noch ist das eine Lüge – doch es muss nicht lange eine bleiben. »Mit meinem Tod erlischt die Linie.«
    Marek knurrt mich an. »Diese Linie …« Durch seinen Körper geht ein Ruck – aber das Licht in seinen Pupillen erlischt im gleichen Moment. Der Kopf sinkt mit
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