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Kesseltreiben

Titel: Kesseltreiben
Autoren: Leenders/Bay/Leenders
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sofort trennt sich der Käfig davon und bleibt circa zehn bis fünfzehn Meter von der Waffe entfernt liegen, während das Geschoss mit dreifacher Schallgeschwindigkeit weiterfliegt. Diese sogenannten Acceleratorgeschosse wurden in den sechziger Jahren von Remington in den USA entwickelt, sind jedoch später verboten worden. Aber ich gehe davon aus, dass jeder Waffennarr sie kennt und vielleicht sogar noch welche bei sich zu Hause hat.«
    »Das heißt also, wir haben die falsche Waffe gesucht«, verstand van Appeldorn.
    »Ganz genau. Unsere Waffe ist kein Kleinkalibergewehr. Wir suchen jetzt nach einer großkalibrigen Jagdwaffe, mit der man zum Beispiel auf Wildschweine geht, wie eine Mauser, eine Sauer, eine Remington, natürlich, mit dem Standardkaliber 30/06 oder auch.308.« Er atmete kurz durch. »Im Lauf der Waffe, mit der Sebastian Finkensieper erschossen worden ist, werden sich mit Sicherheit Rückstände dieses Treibkäfigs finden.«
    »Der Täter hat die Waffe doch bestimmt längst verschwinden lassen«, sagte Schnittges.
    »Das würde ich ihm nicht geraten haben.« Van Gemmerns Augen blitzten. »Ich habe von allen Jagdausübenden dort Kopien ihrer Waffenbesitzscheine.«
    Toppe rieb sich das Kinn. »Du willst die Gewehre heute Abend noch einsammeln?« Es war eher eine Feststellung.
    »Selbstverständlich, von meiner Crew ist noch keiner nach Hause gegangen.«
    Toppe hob den Daumen. »Dann los.«
    »Die Kesseler werden sich freuen«, bemerkte Cox mit einem Blick auf die Uhr. »Wo doch gerade ›Wetten dass …‹ angefangen hat.«
    »Und ich wette, dass unser Klaus wieder eine Nachtschicht einlegt«, murmelte Schnittges. »Ist schon ein Hammer, was er da herausgefunden hat.«
    »Da bin ich!«
    Ackermann brachte einen Stapel Papiere und das Kästchen und war völlig aus dem Häuschen. »Ich hab im Labor vorbeigeguckt, aber da is’ keiner. Dat heißt wohl, wir müssen dat Teil hier selbs’ aufbrechen. Bloß gut, dat ich immer mein Schweizer Messer dabeihab.«
    Dann erst schaute er sich um. »Wat is’ denn los? Ihr habt doch wat.«
    Cox erzählte ihm von van Gemmerns Entdeckung.
    »Wahnsinn!« Ackermann brauchte eine Weile, bis er die Information verdaut hatte. Er legte den Papierstapel und den Kasten auf Cox’ Schreibtisch ab und setzte sich erst einmal hin.
    »Möchtest du etwas essen?«, fragte Penny ihn.
    »Wat? Nee!« Jetzt kam wieder Leben in ihn. »Dafür bin ich viel zu hibbelig. Ich will wissen, wat in dem Kästken is’.« Er holte sein Taschenmesser heraus.
    Cox hielt den Kasten mit beiden Händen fest. Knack!
    »Verborgene Talente.«
    Sie fanden Fotos: der Maashof, Sabines Eltern vor einem blühenden Fliederstrauch, Sabine mit Zahnlücke und Schulranzen, Sebastian, auf einer Kuh sitzend, mit einem Hund kuschelnd, die beiden Aufnahmen, die Sabine auch ihrer Tante geschickt hatte. Eine seidige rotblonde Locke in einer Streichholzschachtel, ein gefaltetes Blatt Papier mit farbigen Handabdrücken, zwei große, zwei ganz kleine, und einen Brief:
     
    »Lieber Sebastian,
    ich kann mir nur schwer vorstellen, daß Du jetzt ein junger Mann bist.
    Für mich bleibst Du wohl immer drei Jahre alt.
    Ich möchte Dich nicht mit der Vergangenheit belasten, aber eines muß ich Dir sagen:
    Ich bin keine Mörderin.
    Ich habe den kleinen Kevin nicht getötet.
    Ich glaube, daß es ein Spielunfall gewesen ist.
    Die kleine Bagage hat immer so gern Taucher gespielt, so wie früher, als es Taucherhelme gab. Und dazu haben sie sich ihre Sandeimerchen über den Kopf gestülpt und manchmal auch eine Plastiktüte. Die Großen waren immer sauer, daß ihnen der Helm vom Kopf rutschte, wenn sie ins Wasser sprangen. Und so denke ich mir, sie haben vielleicht eine Schnur genommen, meine Schnur, die ich am See vergessen hatte.
    Aber das konnte ich nicht erzählen. Ich konnte doch die kleine Bagage nicht für immer ins Unglück stürzen.
    Es wäre auch sinnlos gewesen. Mir hätte keiner geglaubt.
    Ich habe nie eine Chance gehabt.
    Lieber Basti, seit Du auf der Welt warst, habe ich Dich jede Minute geliebt, und ich liebe Dich noch heute.
    Deine Mutter Sabine«
     
    »Großer Gott, wenn das stimmt«, sagte Ackermann tonlos.
    »Es passt zu dem, was Heiko Goossens gesagt hat«, stellte Bernie fest. »Als er nach Hause ging, waren nur noch der kleine Sebastian, Kevin, Jörg Goossens und Dennis Pitz am Baggersee. Wenn das mit dem Taucherspiel stimmt …«
    »… hat Dennis Pitz seinen eigenen Bruder getötet«, ergänzte Penny.
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