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Kesrith – die sterbende Sonne

Kesrith – die sterbende Sonne

Titel: Kesrith – die sterbende Sonne
Autoren: C.J. Cherryh
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Kesrith gehörte, Medai s'Intel Sov-Nelan in die Männlichkeit trug, zum Dienst, zur höchsten Ehre, die jemals einem Kel'en des Edun Kesrithun zuteil geworden war.
    An jenem Tag hatte Niun geweint, obwohl Kel'ein nicht weinen konnten. Und dann hatte er vor Scham über seine Schwäche das Gesicht mit dem rauhen, pulverigen Sand gereinigt und einen weiteren Tag und zwei Nächte fastend in den Bergen verbracht, bis er wieder hinabgestiegen war zu den anderen Kel'en und der ängstlichen und besitzergreifenden Liebe der Mutter.
    Sie alle waren alt. Außer ihm gab es jetzt keinen Kel'en mehr, der in einen angebotenen Dienst treten konnte. Sie alle waren in großem Maß geübt. Er vermutete, daß sie die größten Meister der Yin'ein im gesamten Volk waren, obwohl sie sich selbst nicht mehr zumaßen als beträchtliche Kompetenz. Aber die Jahre hatten ihren tiefgründigen Raubzug durchgeführt und ihnen die Kraft genommen, ihre Künste im Krieg anzuwenden. Sie waren ein Kel aus acht Männern und einer Frau, die den Grund für ihr Leben überlebt hatten, ohne die Kraft zum Kämpfen oder – nach ihm – Kinder, die sie unterrichten konnten: Alte, deren Träume nur noch rückwärts gewandt sein konnten.
    Sie hatten ihm neun Jahre gestohlen, ihn mit sich begraben, und dann selber Leben aus zweiter Hand durch seine Jugend gelebt.
    Er folgte der Straße ins Tiefland hinab, ließ sich vom Straßendamm zu den Regul führen, da die Regul in dieser Zeit nicht zum Edun kamen. Es war nicht der direkte Weg, aber der leichteste, und er folgte ihm mit unverschämter Sicherheit, da die Alten des Kel ihn auf einem so langen Weg nicht einholen konnten. Er hatte nicht vor, zum Hafen zu gehen, zu dem der Weg querfeldein führte, sondern zu dem, was am Ende des Straßendammes lag: das Nom, ein zweistöckiges Gebäude, höchstes Bauwerk in Kesriths einziger Stadt und eigentliches Zentrum der Regul Behörden.
    * * *
    Er fühlte sich unwohl, als seine Stiefel auf Beton traten und er überall um sich herum die häßlichen, flachen Gebäude der Regul erblickte. Dies war eine Welt, die sich von der Reinheit der hohen Berge unterschied, sogar mit einem anderen Geruch in der Luft, einer Abstumpfung des scharfen Geschmacks von Kesriths kalten Winden, einer feinen Ausdünstung von Öl und Maschinen und nach Moschus riechenden Regul-Körpern.
    Regul-Junglinge beobachteten ihn – die Beweglichen, die Jungen der Regul. Ihre kauernden Körper würden beim Heranwachsen dicker werden, die grau-braune Haut dunkler und loser – Fett würde sich ansammeln, bis sie sich selbst so sehr von Gewicht umgeben finden würden, daß ihre schrumpfenden Muskeln sie nicht mehr heben konnten. Die Mri sahen nur selten ältere Regul. Niun selbst hatte noch nie einem Älteren gegenübergestanden, nur gehört, wie seine Lehrer im Kel sie beschrieben. Erwachsene Regul blieben in ihrer Stadt, umgeben von Maschinen, die sie trugen und ihre Luft reinigten; sie wurden von Junglingen versorgt, die ständig für sie da sein mußten, die selbst ein ungewisses Leben lebten, bis sie ihre Reife erreichten. Die einzige Gewalttätigkeit, die die Regul verübten, richtete sich gegen ihre eigenen Jungen.
    Die Junglinge auf dem Platz betrachteten ihn jetzt mit seitlichen Blicken und unterhielten sich in verschwiegenem Tonfall der sein empfindliches Gehör deutlicher erreichte, als ihnen bewußt war. Normalerweise hätte ihm diese Boshaftigkeit nicht im geringsten Sorgen bereitet: man hatte ihm beigebracht, sie seinerseits noch viel weniger zu mögen, und er verachtete sie und ihre ganze Brut. Aber hier war er der Bittsteller, verzweifelt und ängstlich, und sie besaßen, was er haben wollte, und hatten auch die Macht, es ihm zu verweigern. Ihr Haß umhüllte ihn wie die verseuchte Stadtluft. Er hatte sich verschleiert, lange bevor er die Stadt betreten hatte; aber mit nur wenig mehr Ermutigung hätte er auch den Sichtschutz des Zaidhe heruntergeklappt. Bei seinem letzten Besuch in dieser Stadt hatte er es getan, als er noch ein sehr junger Kel'en gewesen war und in den Eigentümlichkeiten des Verhaltens zwischen Regul und Mri nicht ganz bewandert. Aber jetzt, da er älter und ein Mann war, traute er sich, auf den Sichtschutz zu verzichten und die Blicke der Junglinge zu erwidern, die ihn zu kühn anstarrten; und die meisten konnten den direkten Blickkontakt mit ihm nicht ertragen und wichen vor ihm zurück. Einige wenige, älter und tapferer als die anderen, zischten leise vor Mißfallen,
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