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Kennen Wir Uns Nicht?

Kennen Wir Uns Nicht?

Titel: Kennen Wir Uns Nicht?
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keinerlei Gewissensbisse. »Die beiden sind nicht zusammen. Oder jedenfalls nicht richtig.« Sorgfältig malt sie ihre Lippen knallrot an. »Ich werde mich komplett mit neuem Make-up ausstatten«, sagt sie angesichts des roten Stummels. »Christian Dior, die ganze Palette. Jetzt kann ich es mir ja leisten!«
    »Unbedingt!« Ich nicke, versuche, begeistert zu klingen. Fi braucht einen Moment, bis sie merkt, was sie gerade gesagt hat.
    »Oh, Scheiße. Entschuldige, Lexi.« Sie legt mir einen Arm um die Schulter und drückt mich an sich. »Du hättest auch eine Prämie kriegen müssen. Das war nicht fair.«
    »Kein Problem.« Ich versuche zu lächeln. »Nächstes Jahr.«
    »Alles okay bei dir?« Fi mustert mich. »Möchtest du noch was trinken gehen, oder so?«
    »Nein, ich will endlich ins Bett. Ich muss morgen früh raus.«
    Fi ist deutlich anzusehen, wie ihr alles wieder einfällt, und sie beißt sich auf die Unterlippe. »Auch das noch! Das hatte ich ganz vergessen. Erst die Prämie und dann ... Lexi, es tut mir leid. Ist echt ‚ne beschissene Zeit für dich.«
    »Es geht schon!«, sage ich schnell. »Es ist... ich versuche einfach, kein großes Ding daraus zu machen.«
    Kein Mensch mag Jammerlappen. Also zwinge ich mich irgendwie, fröhlich zu lächeln, um zu zeigen, wie wenig es mich berührt, dass ich schiefe Zähne habe, dass man mich versetzt hat, dass ich keine Prämie bekomme und gerade meinen Vater verloren habe.
    Fi schweigt einen Moment. Ihre grünen Augen schimmern im Licht der vorüberfahrenden Autos.
    »Es wird alles wieder gut«, sagt sie.
    »Meinst du?«
    »Mh-hm.« Sie nickt energisch. »Du musst nur daran glauben. Komm schon!« Sie drückt mich. »Was bist du, Prinzessin oder Erbse?« Schon als wir fünfzehn waren, brachte Fi diesen Spruch, und jedes Mal bringt sie mich damit zum Lachen. »Und weißt du was?«, fügt sie hinzu. »Ich glaube, dein Dad hätte gewollt, dass du verkatert bei seiner Beerdigung auftauchst.«
    Sie hat meinen Vater nur ein paar Mal getroffen. Wahrscheinlich hat sie recht.
    »Hey, Lexi.« Plötzlich wird Fis Stimme sanfter, und ich muss mich richtig zusammenreißen. Ich bin sowieso schon ziemlich angeschlagen, und wenn sie jetzt was Nettes über meinen Vater sagt, fange ich vielleicht an zu weinen. Zwar kannte ich ihn gar nicht besonders gut, aber man hat ja schließlich nur einen Vater ... »Leihst du mir ein Gummi?« Ihre Stimme bohrt sich in meine Gedanken.
    War ja klar. Die Sorge, mit Mitgefühl überschüttet zu werden, hätte ich mir getrost sparen können.
    »Für alle Fälle«, fügt sie mit vielsagendem Lächeln hinzu. »Ich meine, wahrscheinlich werden wir uns eh nur über die politische Weltlage und so was unterhalten.«
    »Ja. Wahrscheinlich.« Ich krame in meinem grünen Handtäschchen, das ich zum Geburtstag bekommen habe, nach meinem ebenso grünen Portemonnaie und hole ein Kondom heraus, das ich ihr diskret zustecke.
    »Danke, Süße.« Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange. »Hör zu. Willst du morgen Abend zu mir kommen? Wenn du es hinter dir hast? Ich mach uns Spaghetti Carbonara.«
    »Ja!« Ich lächle dankbar. »Das wäre toll. Ich ruf dich an.« Ich freue mich jetzt schon darauf. Einen Teller leckere Pasta, ein Gläschen Wein, und ich erzähle ihr von der Beerdigung. Fi hat so eine Art, selbst den düstersten Dingen des Lebens etwas Lustiges abzuringen, und wir werden uns bestimmt schlapplachen ...
    »Hey, da kommt ein Taxi! Taxiiii!« Ich springe zum Kantstein, als der Wagen hält, und winke Debs und Carolyn, die gerade Dancing Queen kreischen. Carolyns Brille ist voller Regentropfen, und sie singt etwa fünf Töne höher als Debs. »Hi!« Ich beuge mich durchs Fenster zum Taxifahrer hinein, mit tropfenden Haaren. »Wären Sie wohl so freundlich, uns erst nach Balham zu bringen, und dann ...«
    »Keine Chance, Süße, nix Karaoke«, schneidet mir der Fahrer das Wort ab, mit bösem Blick auf Debs und Carolyn.
    Ich starre ihn verdutzt an. »Wie meinen Sie das: kein Karaoke?«
    »Ich will diese Mädchen nicht in meinem Wagen haben. Von dem Geheul krieg ich Kopfschmerzen.«
    Bestimmt macht er Witze. Man kann doch niemanden aussperren, weil er singt.
    »Aber ...«
    »Mein Taxi, meine Regeln. Keine Betrunkenen, keine Drogen, nix Karaoke.« Bevor ich noch etwas sagen kann, legt er den ersten Gang ein und gibt Gas.
    >»Nix Karaoke<-Regeln sind verboten!«, schreie ich dem Taxi wütend hinterher. »Das ist ... Diskriminierung! Das ist gegen das Gesetz! Das ist
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