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Katzenjammer

Katzenjammer

Titel: Katzenjammer
Autoren: Frauke Scheunemann
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die Pelle? Ich knurre noch lauter. Vorsicht! Normalerweise beiße ich nicht, aber wenn es gar nicht anders geht …
    »Also gut, du hast es nicht anders gewollt.«
    Mit diesen Worten setzt mich Herr Grobian in den Umzugskarton, der noch neben dem Telefontischchen steht. Bevor ich auch nur daran denken kann herauszuhüpfen, schließt er den Deckel. Um mich herum wird es dunkel, und der Geruch von Pappe und Staub steigt in meine Nase. Sofort schwappt eine Woge der Erinnerung über mich hinweg: Schloss Eschersbach, mein Geburtsort, und der alte von Eschersbach, der mich in einen ebensolchen Karton hebt. Mich, den Dackelmischling Carl-Leopold, den er in seiner Zucht nicht duldet. Mein Erstaunen, als ich beim Verlassen des Kartons feststelle, dass ich nicht mehr zu Hause, sondern an einem Ort namens Tierheim bin. Und mein Entsetzen, als sich dieser Ort als wahrer Alptraum herausstellt, aus dem mich Carolin allerdings schon nach einem Tag rettet. Und mich fortan Herkules nennt. Ich beginne zu winseln.
    »He, Sie! Haben Sie da etwa gerade meinen Hund in einen Karton gesteckt?«
    Durch die Pappe klingt Carolins Stimme ganz dumpf, trotzdem erkenne ich sie natürlich sofort. Der Deckel wird wieder aufgeklappt, Carolins Gesicht erscheint am oberen Rand, mit ihren großen, hellen Augen schaut sie mich mitleidig an.
    »Du Armer! Kein Wunder, dass du weinst! Ganz allein in diesem dunklen, engen Karton!«
    Sie hebt mich heraus und streichelt mir über den Kopf.
    »Alles wieder gut, Herkules. Und Sie merken sich mal eines«, faucht sie den Mann an, »Finger weg von meinem Hund, sonst gibt es gleich richtig Ärger!«
    Der guckt sie so blöd an, wie es tatsächlich nur Menschen können. Natürlich – wenn denkende Wesen dem Stumpfsinn anheimfallen, ist es eben viel dramatischer, als wenn beispielsweise ein Goldfisch komplett unterbelichtet ist.
    »Is ja gut, is ja gut – ich wollte dem Kleinen doch nichts tun. Nur ein bisschen mit ihm spielen!«
    Aha, der wollte nur spielen. Unter Hundebesitzern ja angeblich eine beliebte Ausrede für verzogene Vierbeiner. Dass jetzt schon Zweibeiner darauf zurückgreifen, sagt so einiges über den Zustand aus, in dem sich die Menschheit befindet. Carolin setzt mich wieder auf den Boden, und ich überlege kurz, ob ich an dem Idioten mein Bein heben soll – verwerfe den Gedanken aber als niveaulos. Ein Carl-Leopold von Eschersbach pinkelt nicht aufs Parkett.
    Der Mann verzieht sich, und Carolin kniet sich neben mich und streicht sich eine Strähne ihres langen blonden Haares aus dem Gesicht.
    »So, Herkules, den sind wir erst mal los. Aber vielleicht gehst du trotzdem wieder in den Garten? Nicht, dass dir gleich der Nächste auf die Pfoten tritt.«
    Auf keinen Fall! Meine Mission lautet schließlich Kühlschrank! Ich laufe also Richtung Küche. Dort angekommen, warte ich, bis Carolin mir gefolgt ist, setze mich auf meinen Po und gucke sie so treuherzig an, wie es mir als Dackel nur möglich ist. Zur Unterstreichung meiner Bedürftigkeit fiepe ich noch ein bisschen und hebe eine Vorderpfote. Carolin lacht.
    »Aha, daher weht der Wind! Monsieur hat Hunger. Na gut, ein kleiner Snack ist wohl okay.« Sie öffnet die Kühlschranktür und nimmt ein Schälchen heraus. Hm, obwohl die Portion kalt ist, breitet sich ein verführerischer Geruch in der Küche aus. Lecker! Herz!
    »Also, die Mikrowelle ist schon verpackt, die Töpfe auch. Frisst du es auch kalt?«
    Klaro! Immer her damit! Sie stellt mir das Schälchen vor die Füße, und ich mache mich gleich darüber her.
    »Ach, hier steckst du!« Marc steckt seinen Kopf durch die Küchentür. Carolin dreht sich zu ihm herum und strahlt ihn an.
    »Herkules hatte ein bisschen Hunger, und den Kühlschrank muss ich sowieso noch ausräumen. Hast du auch Appetit auf irgendetwas?«
    Marc stellt sich neben sie.
    »Hm, lass mal überlegen. Ja, es gibt tatsächlich etwas, worauf ich richtig Appetit habe.« Blitzschnell packt er Carolin, zieht sie in seine Arme und gibt ihr einen langen Kuss. Mir wird ganz warm und wohlig. Von wegen » kein Happy End « – die beiden sind glücklich miteinander, das sieht ein Blinder mit Krückstock. Selbst, wenn er ein Kater ist.
    Carolin kichert und strampelt sich los.
    »He, so werden wir hier nicht fertig! Also, möchtest du nun noch einen Joghurt oder vielleicht ein Stück Salami?«
    Marc schüttelt den Kopf.
    »Nein, danke! Ich wollte eigentlich nur schauen, wie weit ihr hier seid. Meinst du, ihr schafft den Rest in einer halben
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