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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal
Autoren: Libba Bray
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die Dinge, die Mrs Nightwing auf ihre Liste zu vermeidender, weil lebensgefährlicher, tödlicher oder degoutanter Gegenstände setzen würde. »Nehmen Sie sich, was Sie wollen.«
    »Danke«, murmelt Cecily und weicht zurück. Elizabeth kann nicht aufhören, abwechselnd zu erröten und zu lächeln und schüchtern zu dem Mann mit dem rot geflickten Hemd hinzuschauen, der sie mit seinen Blicken verzehrt.
    »Ja, danke«, sagt Felicity. Sie beherrscht die Situation, wie immer. »Das werden wir.«
    Wir machen uns daran, die Überbleibsel des alten Ostflügels zu durchstöbern. Zersplittertes, verkohltes Holz und Reste von Papier erzählen von der Vergangenheit der berühmten Schule. Für manche ist es die Geschichte eines tragischen Brandes, in dem zwei Mädchen ums Leben kamen. Aber ich weiß es besser. Die wahre Geschichte dieses Ortes handelt von Magie und mysteriösen Dingen, von Hingabe und Verrat, von Bosheit und einem grauenvollen Opfer. Vor allem ist es die Geschichte von zwei Mädchen – besten Freundinnen, die zu erbitterten Feindinnen wurden –, die beide für tot gehalten wurden, umgekommen in dem Feuer vor fünfundzwanzig Jahren. Die Wahrheit ist weitaus schlimmer.
    Eines der Mädchen, Sarah Rees-Toome, wählte unter dem Namen Circe einen unheilvollen Weg. Jahre später fand sie die Spur des anderen Mädchens, ihrer früheren Freundin, Mary Dowd, die eine neue Identität angenommen hatte, als Virginia Doyle – meine Mutter. Mithilfe eines bösen Geistes, über den sie gebot, ermordete Circe meine Mutter und gab meinem Leben eine völlig andere Wendung. Die Geschichte, die man sich in diesen Mauern hier flüsternd erzählt, ist auch meine Geschichte.
    Die anderen sind mit Feuereifer dabei, nach Schätzen zu suchen. Aber ich kann hier nicht unbeschwert glücklich sein. Dies ist ein geisterhafter Ort und ich glaube nicht, dass neue Balken und ein warmes Feuer in einem marmornen Kamin daran etwas ändern werden. Ich will keine Erinnerungsstücke an die Vergangenheit.
    Ein neues Konzert von Hammerschlägen hat eingesetzt und eine Schar von Vögeln aufgeschreckt, die in die Sicherheit des Himmels auffliegen. Ich starre auf den Berg Gerümpel und denke an meine Mutter. Hat sie den Pfeiler dort berührt? Hängt ihr Duft noch an der Scherbe eines Glases oder einem abgesplitterten Stück Holz? Eine schreckliche Leere breitet sich in meiner Brust aus. Wie sehr ich auch mit meinem Leben beschäftigt bin, das Schicksal gibt mir immer wieder einen Wink, der mir den Verlust frisch in Erinnerung ruft.
    »Ah, was sagt man dazu.« Es ist der Mann mit dem roten Flicken auf seinem Hemd. Er zeigt auf einen Holzpflock, der an einem Ende angefault ist. Aber ein Großteil des Pfostens hat die Feuersbrunst und die Jahre der Missachtung überlebt. Eine Reihe von Mädchennamen ist darin eingeritzt. Ich streiche mit den Fingern über die Rillen und Schnörkel. So viele Namen. Alice. Louise. Theodora. Isabel. Mina. Meine Finger tasten über das knubbelige Holz und befühlen es wie eine Blinde. Ich weiß, dass ihr Name da sein muss, und ich werde nicht enttäuscht. Mary. Ich drücke meine Handfläche gegen den verwitterten Schriftzug, in der Hoffnung, unter meiner Haut die Gegenwart meiner Mutter zu fühlen. Aber es ist nur totes Holz. Ich blinzle die brennenden Tränen in meinen Augen fort.
    »Miss?« Der Mann sieht mich neugierig an.
    Ich wische mir rasch über die Wangen. »Es ist der Wind. Er bläst mir Asche in die Augen.«
    »Ja, der Wind ist stark. Er wird noch mehr Regen bringen. Vielleicht einen Sturm.«
    »Oh, da kommt Mrs Nightwing!«, zischt Cecily. »Bitte, lasst uns von hier verschwinden! Ich will keinen Ärger bekommen.«
    Rasch sammeln wir unsere Skizzen ein und setzen uns in sicherer Entfernung auf eine Steinbank in der Nähe des noch im Winterschlaf liegenden Rosengartens, die Köpfe in tiefer Konzentration gebeugt. Aber Mrs Nightwing nimmt keine Notiz von uns. Sie prüft den Fortschritt der Bauarbeiten.
    Der Wind trägt ihre Stimme zu uns herüber. »Ich hatte gehofft, wir wären schon weiter, Mr Miller.«
    »Wir arbeiten zehn Stunden pro Tag, Missus. Aber da ist der Regen. Für die Natur kann der Mensch nichts.« Mr Miller macht den verhängnisvollen Fehler, Mrs Nightwing charmant anzulächeln. Sie erliegt keinem Charme. Aber es ist zu spät, um ihn zu warnen. Unter Mrs Nightwings vernichtendem Blick senken die Männer ihre Köpfe tief über ihre Pfosten. Das Geräusch von Hämmern und Sägen ist ohrenbetäubend. Mr
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