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Karma Girl

Titel: Karma Girl
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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war. »Wusste gar nicht, dass das ein Model ist. Ich hab sie – oder ihn – gerade gesehen, wie sie sich dort drüben mit jemandem unterhalten hat. Seht ihr … dort … drüben …?«
    Ich sah gar nichts. Denn innerlich flippte ich gerade aus: Da hatte also noch jemand die Idee gehabt, einen indischen Transvestiten zu fotografieren?!
    »Also, das ist die Art von Fotos, die du später mal machen solltest!«
    »Das ist die Art von Fotos, die sie macht«, lächelte Radha voller Stolz. »Das sind nämlich ihre Fotos.«
    Wir drehten uns mit fragenden Mienen zu ihr um.
    »Na ja, also im Grunde gehören sie eigentlich Karsh, aber da er nun mal so ein netter Kerl ist, hat er sie den Leuten vom Flash! gegeben, um Abzüge zu machen.«
    »Was sagst du da?«, fragte mein Vater.
    »Die Fotos. Die sind alle von Dimple. Sie hat sie gemacht.«
    Sie deutete auf die Backsteinwände.
    »Und zwar alle!«
    »Was?« , rief ich.
    »Du hast richtig gehört, Yaar«, sagte Radha und grinste über beide Ohren.
    »Was hat er gemacht?«, hakte ich völlig verdutzt nach. »Aber warum haben die dann beschlossen, meine …? Wieso haben die …?«
    »Weil deine Fotos ganz einfach verdammt gut sind!«
    Ich konnte es nicht fassen. Und vor allem konnte ich es gar nicht mehr erwarten! Ich stürzte zu der Wand, um mir die Bilder anzusehen, die Hochzeitsmafia im Schlepptau.
    Abgesehen von der Wand hinter der Bühne, wo Videoclips flimmerten, waren die Wände auf dieser Seite geschmückt mit großen, glänzenden Abzügen von … mei nen Fotos! Mit riesengroßen, professionell gerahmten Abzügen von meinen Fotos!
    Die Backsteinwände waren so nackt und kahl, dass diese intensiven, bunten Fototupfer wie die reinste Farbtherapie wirkten. Es war, als würde ich eine Art Multimedia-Installation betreten, die mein eigenes Leben zum Thema hatte. Kaum zu glauben, wie schön die Fotos aus dieser Perspektive aussahen: Während ich mir Bild für Bild ansah, erkannte ich, dass sie eine Geschichte erzählten – hatte ich noch vor kurzem gedacht, alles wäre völlig zusammenhangslos, tat sich mir nun eine Geschichte auf, die faszinierender war, als ich sie mir je hätte vorstellen können. Und während ich beobachtete, wie die anderen Gäste »Ooh« und »Aah« vor den Aufnahmen machten – inklusive, wie mir nun auffiel, Zara höchstpersönlich, die von einem Tross Verehrer und natürlich ihrem Freund begleitet wurde –, war es, als würden sich all diese Leute eigentlich in meinem Kopf befinden und meinen eigenen Blick mit begeisterten »Oohs« und »Aahs« kommentieren. So als ob sie diesen Blick absolut verstünden, obwohl er eigentlich völlig neu für sie war.
    Ich sah also auf geradezu magische Weise mein eigenes Leben vor mir. Und noch magischer war die Tatsache, dass ich sogar mein eigenes Herz in all seiner wilden, melodiösen Komplexität vor mir sah – es war, als ob es ebenfalls vor mir an der Wand hing.
    Unmöglich, sich vorzustellen, dass es einmal eine Zeit gegeben haben sollte, in der ich Karsh nicht mit jedem Dhage na dhin, Dhage na dha meines Herzens geliebt hatte.
    Und je mehr ich an ihn dachte, umso ruhiger wurde ich. Je weniger ich zweifelte, je weniger ich versuchte, die Welt komplett zu verstehen und alles unter Kontrolle zu haben, umso mehr lösten sich meine Fesseln, begann der Rhythmus einzusetzen und die Musik zu spielen.
    Ich lief, ja ich rannte bereits zu ihm.
    Der Club sah heute ganz ähnlich, aber irgendwie auch ganz anders aus. Alles war in rosafarbenes Licht getaucht, was gut zu Tamashas Sound passte. Und während es beim letzten Mal ein rein südasiatisches Publikum gewesen war, so war es diesmal – wie mir nun auffiel, während immer mehr Flash! – Redakteure, Schüler von unserer Schule, Starbucks-Kollegen von Gwyn sowie die üblichen HotPotters und Karshs Fangemeinde hereinkamen – ein absolut bunter Mix von Leuten. Die Musik war etwas grooviger geworden und alle bewegten ihre Körper im Takt. Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge und fühlte mich total sicher und wohl, schließlich wachte Karsh irgendwo da oben im DJ-Bereich über mich.
    Ich schlüpfte hinter die Bar, schwang meine Tasche auf den Rücken und stellte mich an den Fuß der Leiter. Meine Hände fingen auf einmal richtig an zu zittern, und ich fragte mich, ob ich mich überhaupt an den ersten Sprossen würde festhalten können, ganz zu schweigen davon, ob ich's bis nach oben schaffte. Doch dann stellte ich mir vor, die einzelnen Sprossen seien der Tanzspeer
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