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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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Sieglinde Sterz haben sich an den Vierwaldstätter See zurückgezogen. Hier leben sie inmitten von einhundert Warzenschweinen aus eigener Zucht und lassen Tag und Nacht Wagner-Arien auf die Nutztiere nieder dröhnen.
    Harald Gernhaber habe ich leider völlig aus den Augen verloren. Er schnitzt keine Zargen mehr – und wenn doch, dann im Untergrund – und auch seine Stradivaris hat man nie mehr gesehen. Schade. Ich mochte diesen Mann.
    Prof. James Holzapfel hat nach wie vor seine psychologische Praxis in Berlin, wo er in einem Hinterzimmer Beratungen durchführt und manchmal auch die eine oder andere Patientin mit frischen französischen Zutaten aus dem Bio-Kochstudio verwöhnt.
    Tim Wolke ist leider gestorben.
    Erna Pfefferkorn wurde schon vor Jahren in eine geschlossene Anstalt eingeliefert: sie war ihrem krankhaften Geltungsdrang zum Opfer gefallen, als sie nachts auf dem zugefrorenen See im Grunewald die Carmen-Arien sang und dabei festfror. Die freiwillige Feuerwehr musste sie im wahrsten Sinne des Wortes loseisen, und nun ist sie im Heim, fühlt sich aber wohl dort und gibt den anderen Patienten Gesangsunterricht.
    Meine Eltern leben immer noch in ihrem grauen Reihenhaus in Bad Orks. Zu ihrer goldenen Hochzeit habe ich die Carmen-Arien gesungen, und Regina hat mich am Klavier begleitet. Das hat sie sehr gefreut. Seit sie einen Trockner haben, können sie im Wäschekeller fernsehen, ohne vorher die Oberhemden von Papa zur Seite schieben zu müssen. In letzter Zeit haben sie mich oft im Fernsehen gesehen; sie erwähnen das aber nicht, damit ich nicht anfange, mir etwas darauf einzubilden.
    Regina und Gernot unterrichten immer noch an der Musikschule: Regina Klavier und Gernot Fagott. Er ist Vizeminigolfmeister von Hessen geworden, und das mit seiner Allergie hat Formen angenommen. Deswegen haben sie auch keine Kinder bekommen, sagt Regina, damit sich das Ganze nicht vererbt. Aber sie haben jetzt gelernt, damit zu leben, sagt Regina, und sie will nicht mehr darüber sprechen. Das erschüttert mich am meisten.
    Marie ist seit achtzehn Spielzeiten im Chor an der Komischen Oper im zweiten Sopran. Sie mischt die Burschen von der Gewerkschaft ganz schön auf, weil sie keinen Bock hat, sich an die ganzen unsinnigen Regeln zu halten, mit Kantinenschluss um 22 Uhr und kein Alkohol vor der Vorstellung und Rauchverbot auf der Bühne. Ihr Mann Heinz, der tätowierte Notenwart, hat sie aber ganz gut im Griff. Wenn es nicht anders geht, sagt er in seiner gutmütigen Art, muss er ihr auch schon mal eine hauen.
    Willem und ich sind immer noch glücklich verheiratet. Seit fast zwanzig Jahren. Willem hat den ganzen Vanille-Scheiß im Grunewald verkauft, Marie ausbezahlt und von dem Rest ein Landhaus bei Salzburg für uns gekauft. Die Adeligen und Reichen geben sich bei uns die Klinke in die Hand, und Willem kann jetzt endlich Tennis spielen. Wir lieben es, auf die Berge zu kraxeln, sogar mit Seil und Pickel! Im Winter fahren wir mit unseren Kindern Schi, wir haben eine gemütliche Hütte in Kitzbühel.
    Wir haben ziemlich viel Spaß, besonders auf den Salzburger Festspielen.
    Unser Sohn Maximilian hat mit seinen zweiundzwanzig Jahren endlich das Abitur geschafft. Er ist ein hervorragender Golfer geworden, hat ein Handicap von eins komma fünf und trainiert in Fuschl am See die Millionärstöchter, für die er sich jedoch noch nicht wirklich interessiert. Aber Golf ist einfach seine Leidenschaft, und Willem sagt, er ist ein Spätentwickler, man muss ihm nur Zeit geben. Über den kleinen runden Ball definiert sich sein ganzes Lebensglück – Wiener Sängerknabe wollte er partout nicht werden.
    Wir haben noch zwei kleine Töchter, die uns in Atem halten: Charlotte ist vierzehn und mitten in der Pubertät, rockt in einer selbst gegründeten Band, macht Jazz-Dance und kann steppen. Sie kann sich vor Verehrern kaum wehren. Sie geht ins musische Gymnasium in Salzburg und hat den schwarzen Gürtel in chinesischem Kampfsport. Wenn sie nachts mit dem Moped heimkommt, tun wir immer so, als hörten wir es nicht. Aber hier auf dem Land fahren die Busse eben so unregelmäßig. Charlotte will Schauspielerin werden, oder wenigstens Popstar. Klassischen Gesang findet sie voll ätzend, aber welche Vierzehnjährige findet das nicht?
    Pauline, unser Nesthäkchen, ist neun und beendet gerade die Volksschule. Sie hat eine behütete und ländliche Kindheit, liebt ihr eigenes Pferd und malt ganz beachtlich. Am liebsten fährt sie Trecker oder richtet
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