Karl der Dicke & Genossen
Garde bei ihr aufmarschierte, und wollte keine Auskunft geben.
„Fräulein Klingeberg ist gar nicht hier“, bellte sie. „Sie kommt erst um siebzehn Uhr von der Spinnfaser AG nach Hause.“
Damit schlug sie die Tür zu.
„Hui“, sagte Karl. „Hier möchte ich aber nicht wohnen.“ Sie traten zu Tante Hannelore ans Auto.
„Fräulein Klingeberg ist noch im Dienst“, erklärte Egon, „um siebzehn Uhr wird sie von ihrer reizenden Wirtin zurückerwartet.“
„Wir können uns ja solange hier auf den Bordstein setzen und Autos zählen!“ schlug Rolf vor.
Aber das fanden die andern nicht sehr kurzweilig.
„Mensch, die Alte hat doch gesagt, sie arbeitet in der Spinnfaden KG!“ rief Guddel. „Fahren wir doch mal hin!“
Ein Passant erklärte ihnen den Weg.
„Die Firma heißt Spinnfaser AG“, verbesserte er lächelnd. Eine Viertelstunde später stand der schnittige Sportwagen auf dem Firmenparkplatz, und nach weiteren zehn Minuten saßen sie zum zweitenmal an diesem Tage im Zimmer eines Personalchefs. Auch dieser war sehr freundlich und hörte den Jungen geduldig zu.
„Alle Achtung“, sagte er anerkennend, als der Bericht zu Ende war, „ihr seid aber ausdauernd! Hoffentlich ist die Spinnfaser AG nun die Endstation.“
Er stand auf und ging zu einem Aktenschrank.
„Jawohl“, sagte er nach kurzem Suchen, „ein Fräulein Klingeberg arbeitet bei uns. In der Buchhaltung. Na, die wird Augen machen!“
Er nahm den Telefonhörer ab und wählte eine kurze Nummer. „Hier ist die Personalabteilung. Herr Baumann, in Ihrem Büro arbeitet ein Fräulein Klingeberg. Sagen Sie ihr bitte, daß ich sie gern mal gesprochen hätte. Ja, sofort, bitte, wenn es geht. Danke!“
Er legte den Hörer auf.
„Fräulein Klingeberg wird gleich hier sein“, sagte er. „Seid ihr vorbereitet?“
„Sind wir“, antwortete Egon. Und zu Karl und Guddel sagte er: „Wir lassen das Tonband sprechen und erklären vorher mit keinem Wort, weshalb wir gekommen sind.“
„Das ist ja spannender als ein Krimi“, flüsterte Rolf.
Sie saßen alle um einen runden Tisch und warteten.
Da klopfte es an der Tür.
Auf das „Herein“ des Personalchefs betrat ein schlankes blondes Mädchen das Zimmer, Fräulein Christa Klingeberg. Sie grüßte, sah verwundert auf die Jungen und Tante Hannelore und ging auf den Schreibtisch des Chefs zu. Der kam ihr entgegen, bat sie, Platz zu nehmen, und sagte als Erklärung: „Diese jungen Leute sind hier, um Ihnen etwas zu bringen, Fräulein Klingeberg.“
„Mir?“ fragte sie erstaunt. „Aber ich kenne die Dame und die Jungen ja gar nicht!“
„Aber das, was Sie Ihnen mitbringen, kennen Sie bestimmt, warten Sie nur.“
Zögernd setzte sich Christa auf den letzten freien Stuhl. Da schaltete Karl das Tonbandgerät ein. Er wartete ein paar Sekunden und drückte dann den Wiedergabeknopf.
Das erste, was die Lauschenden hörten, waren Schritte in einem Raum. Darauf war es ein paar Atemzüge lang still, und dann vernahmen sie eine Stimme, die unsicher fragte: „Darf ich jetzt was sagen?“
Die Antwort folgte sofort.
„Selbstverständlich! Sagen Sie Ihre Wünsche nur frei heraus.“
Die Stimme: „Kann man mich überall sehen?“
Die Antwort: „Sehen nicht, aber hören.“
„Auch in Kassel?“
„Ganz bestimmt! Sie müssen nur laut und deutlich sprechen.“
Christa Klingeberg hatte die Stimme ihrer Mutter erkannt. Sie krampfte die Hände um die Armlehnen, blickte in ihren Schoß und lauschte mit blassem Gesicht.
Das Band lief weiter.
„Ich wünsch’ dir alles Gute, und du darfst auch wiederkommen, wenn du willst. Vati hat das gar nicht so gemeint. Wir haben in deinem Zimmer alles so gelassen, das Bett und die Couch und alles. Ich hab’ es gestern wieder frisch bezogen wie jede Woche.“
Und nun klagend: „Wir waren doch nur so aufgeregt, wir alle, das mußt du doch verstehen. Du bist doch noch so jung. Komm nach Haus, Christel, bitte, komm nach Haus!“ Und nach einer kleinen Pause: „Ende!“
Christa Klingeberg fuhr sich mit der Hand über die Augen. Die andern blickten sie schweigend an.
„Meine Mutter“, flüsterte das Mädchen, kaum hörbar, „meine liebe Mutter!“
Als sie aufsah, hatte sie sich aber schon gefaßt.
„Wie ist es zu dieser Aufnahme gekommen?“ fragte sie. Egon erklärte es mit wenigen Worten. Christa nickte. „Fahrt ihr wieder über Minden zurück?“
„Das wissen wir noch nicht genau. Warum?“
„Ich dachte mir, dann könnte ich auch ein paar
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