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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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möchte, dass sie Wirtschaftsrecht studiert und dann die Finanzen in die Hand nimmt.«
    »Für einen Small Talk haben wir jetzt keine Zeit«, sagte Mona und nahm mich bei der Hand. »Unten wartet ein Kunde. Übrigens hat keiner was von Frauenkleidern gesagt, Strobe.«
    »Uri«, sagte ich. »Ich heiße Uri.«
    »Nicht heute Abend. Heute Abend bist du Strobe.«
    Sie führte mich zu einem Zimmer am Ende des Flurs. »Das ist unsere Garderobe«, erklärte sie. »Welche Bundweite hast du?«
    »Einunddreißig«, erwiderte ich.
    Sie strich über meine Bauchmuskeln. »Die wollen wir auf keinen Fall verstecken.«
    Sie zog die Schublade einer Kommode auf, wühlte darin herum und holte ein Paar schwarze Leggings und ein Suspensorium aus schwarzer Seide hervor. »Probier das mal«, sagte sie. »Und beeil dich.« Während ich mich umzog, wartete sie draußen.
    Nachdem ich mich ausgezogen und das Suspensorium und die Leggings angezogen hatte, schlüpfte ich in meine Schuhe. Mona kam wieder herein und betrachtete eingehend meine Erscheinung. »Zum Anbeißen«, sagte sie schließlich, doch es war ein emotionsloser Kommentar, eine sachliche Feststellung eben.
    »Die Schuhe passen nicht«, sagte sie. »Du musst barfuß gehen. Hast du was dagegen, wenn ich dich mit Babyöl einreibe?« Meine Neugier erwachte, aber die Vorstellung, dass June Cleaver mich mit Babyöl einrieb, erstickte jede meiner Fragen im Keim.
    »Tu dir keinen Zwang an«, sagte ich.
    Ihre Hände waren warm und ihre Finger sehr geübt. Sie trug das Öl auf Schultern und Rücken auf, konzentrierte sich dabei auf den großen Rückenmuskel, den Deltamuskel und Trizeps. Als sie über Brust- und Bauchmuskulatur fuhr, wurde es peinlich für mich. Das konnte auch das seidene Suspensorium nicht verhindern.
    »Ertappt«, brachte ich zu meiner Entschuldigung hervor.
    »Sag deinem elften Finger, er wird nicht gebraucht, Strobe. Ich bin nicht deine Freundin. Hier geht’s ums Geschäft.« Das Eis in ihrer Stimme kühlte mich wieder ab.
    Sie fuhr fort, massierte das Öl in meine Ober- und Unterarme, dann trat sie zurück. Einen Finger an der Wange, begutachtete sie ihre Arbeit.
    »Warum bist du nicht tätowiert?«, fragte sie. »Ich habe immer gedacht, große, böse Jungs wie du stehen auf Macho-Körperschmuck.«
    »Ich hab früher an Wettkämpfen teilgenommen.«
    Sie sah mich verständnislos an.
    Ich nahm für sie eine Pose an, den Schwarzenegger-Spezial — die Bizeps beider Oberarme angespannt, dann in einer einzigen, flüssigen Bewegung hinunter aufs Knie, eine Drehung in eine dreiviertel Rückenschau. Aus dieser Position wieder nach vorn mit angespannten Brustmuskeln, dann eine Drehung, die großen Rückenmuskeln angespannt und zum Schluss die Trizeps. Dank meines niedrigen Körperfettgehalts bin ich noch immer gut definiert und kann Eindruck schinden: fünfzig Zentimeter Arm- und hundertdreißig Brustumfang. Dazu Oberschenkel wie aus Kalkstein gemeißelt und mit dem Umfang kleiner Fässer. Ich entspannte wieder und ließ meine Brustmuskeln auf- und abhüpfen, so dass es aussah, als zappelten Katzen in einem Sack. Ich hörte, wie Mona der Atem stockte. »Einen solchen Körper verunstaltet man doch nicht mit schlechten Bildern«, sagte ich.
    »Sehr schön«, sagte sie. »Aber das nächste Mal — sofern es ein nächstes Mal gibt — werde ich dich mit ein paar Knast-Tattoos ausstatten. Wir werden Henna nehmen, das kannst du wieder abwaschen. Du wirst aussehen, als hättest du ’n paar harte Jahre Huntsville hinter dir.«
    Meine Neugier meldete sich zurück. »Wozu das?«, fragte ich.
    »Dann wirkst du noch einschüchternder.«
    »Wen soll ich denn einschüchtern?«
    »Das wirst du gleich herausfinden.«
    Sie kramte wieder in der Schublade und zog etwas aus Leder heraus. »Streif das über, es gibt dem Ganzen den letzten Schliff.«
    Es sah aus wie eine Sturmhaube aus Leder, eins von den Dingern, die von Scharfrichtern getragen wurden, als das Köpfen noch en vogue war. Ich streifte sie über. Mona zerrte hinten an einem Lederriemen, befestigte ihn und schon saß die Maske fest an meinem Gesicht.
    »Na bitte«, meinte sie, »jetzt siehst du richtig fies aus. Eine wahre Schreckgestalt.« Der Blick ihrer Augen hinter der Brille aus Fensterglas war konzentriert. Sie bereitete sich auf etwas vor.
    »Danke«, sagte ich. »Und was passiert jetzt?«
    »Was passiert, das passiert«, lautete ihre Antwort. »Ich glaube, es könnte dir gefallen. Falls nicht, denk immer daran: Es ist nur ein
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