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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
Autoren: Marietta Slomka
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ja nicht nur die Präsidentschaftswahlen, sondern auch noch Parlamentswahlen. Und da kann es passieren, dass im Parlament (dem Kongress) die Opposition die Mehrheit der Sitze erringt. Wenn das geschieht, ist es mit dem schönen Durchregieren auch vorbei. Denn alle Gesetze allein machen oder Geld ausgeben, so viel er will, darf auch ein US -Präsident nicht. Außerdem ist die Amtszeit des amerikanischen Präsidenten begrenzt. Er darf höchstens zweimal ins Weiße Haus einziehen, danach ist Schluss. Deutscher Kanzler hingegen kann man bleiben, so lange das Volk es will, sogar sechzehn Jahre am Stück, wie Helmut Kohl. Die größere Macht des US -Präsidenten wird also zeitlich eingeschränkt. Der deutsche Bundeskanzler ist weniger mächtig, dafür kann er theoretisch ewig regieren.
    Kluges Regieren: Sollten nur Philosophen Könige werden?
    Mit der Demokratie angefangen haben wohl wirklich die Griechen, allerdings durften damals nur alle männlichen Vollbürger Athens wählen – Sklaven und Ausländer also nicht, und Frauen ebenso wenig! Philosophen wie Aristoteles (384–322 v. Chr.) fürchteten damals allerdings, diese Demokratie würde zu einer Herrschaft der Armen führen, die aus reiner Not nur an sich denken und nicht an das, was allen nützt.
    Wegen dieser Gefahr kam man schnell darauf, dass es wichtig ist, allen Menschen einen gewissen Lebensstandard zu sichern – denn nur wer frei und unabhängig ist und nicht in Not, kann über den eigenen Tellerrand hinaussehen. Außerdem zeigte sich: Je mehr die Menschen wussten, desto besser fielen ihre Entscheidungen aus. Bis heute zählen aus diesen Gründen die Sicherung eines sozialen Mindeststandards und die Bildung zu den Kernaufgaben einer demokratischen Gesellschaft.
    Ein anderer bedeutender griechischer Philosoph, Platon (427–347 v. Chr.), vertrat wiederum die Idee, dass nur Philosophen Könige werden dürften. Und nur wer gebildet genug war, sollte das Wahlrecht haben. Doch wie grenzt man das ab? Ab wann ist man schlau genug? Und terrorisieren dann nicht die angeblich Klugen die weniger Klugen, die vielleicht einfach nur das Pech hatten, dass sie zu arm waren, um auf eine gute Schule zu gehen? Wer vertritt ihre Interessen? Und überhaupt: Sind dümmere Menschen weniger wert? Demokratie ist nur dann die Herrschaft des Volkes , wenn die gesamte Bevölkerung gleichermaßen daran beteiligt sein kann. Unabhängig davon, wie gebildet jemand ist, wer wie viel Geld verdient, welche Hautfarbe er hat usw. So ist der kluge Grieche Platon ein gutes Beispiel dafür, dass das Gutgemeinte, vermeintlich Plausible und Einfache schnell in totalitärer Unterdrückung enden kann.
    Auch die Römische Republik wies demokratische Elemente auf, aber in den Jahrhunderten danach war erst mal endgültig Schluss: Das Mittelalter hindurch wurde in Europa von Königen geherrscht – wie im Märchen. Allerdings waren die Lebensumstände für die allermeisten Menschen keineswegs märchenhaft, sondern hart. Erst um 1650 kam die Idee wieder auf, dass die Bürger vielleicht da und dort ein Wörtchen mitzureden hätten. Zu den Vordenkern jener Zeit gehörten unter anderen zwei Franzosen, Jean-Jacques Rousseau (1712–1778)und Charles Montesquieu (1689–1755), und der Engländer John Locke (1632–1704). Man sprach über einen Gesellschaftsvertrag und über die Gewaltenteilung in Legislative, Judikative und Exekutive. Das heißt: Wer ein Gesetz erlässt (Legislative), darf nicht gleichzeitig darüber richten, ob jemand das Gesetz gebrochen hat (Judikative), und eine dritte Stelle muss gegebenenfalls die Strafe durchsetzen (Exekutive). Diese drei Stationen kontrollieren sich gegenseitig, und diese Gewaltenteilung soll Missbrauch und Ungerechtigkeit verhindern. Ein weiterer Grund für die Gewaltentrennung ist, dass jedes Opfer die Sache persönlich nimmt und deshalb gern besonders streng strafen will. So kann aber keine allgemeingültige Gerechtigkeit entstehen, deshalb dürfen zum Beispiel Richter nicht direkt von einem Streitfall betroffen sein (»befangen« in der Juristensprache). Aus demselben Grund ist Selbstjustiz verboten. Strafe soll keine persönliche Rache sein.
    Welchen entscheidenden Vorteil eine Demokratie hat und warum der ganze Aufwand sich lohnt, erklärt der englische Philosoph Karl R. Popper (1902–1994) so: »Jede Regierung, die man wieder loswerden kann, hat einen starken Anreiz, sich so zu verhalten, dass man mit ihr zufrieden ist. Und dieser Anreiz fällt weg, wenn die
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