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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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worden; so hat man Ihnen nicht den Bauch aufgeschlitzt!" Doch! doch! sagte die schöne Kunigunde, allein man stirbt daran nicht immer. "Aber der gnädge Herr Papa sind getötet worden, und die gnädge Frau Mama?" Leider! alle beide! und Tränen tröpfelten aus Kunegundens Auge. "Und Dero Herr Bruder auch?" "Auch der!" "Wie sind Sie aber nach Portugal gekommen? Wie haben Sie meinen Aufenthalt erfahren? Wie mich hierhergezaubert? Den Schlüssel, liebste Kunegunde, zu all' den seltsamen Abenteuern!"
    Den sollen Sie sogleich haben, erwiderte die Dame, zuvor aber müssen Sie mir erzählen, wie's Ihnen nach dem unschuldigen Kuß gegangen ist, den Sie mir gaben, und den Fußtritten, die Sie bekamen.
    So beklommen auch noch Kandide sich fühlte, so schwach und zitternd seine Stimme war, so weh' ihm auch noch sein Rückgrat tat, so erzählt' er ihr doch mit der tiefsten Ehrerbietung und aufs allertreuherzigste all' seine Leiden nach ihrer Trennung. Das Auge gen Himmel gerichtet schenkte Kunegunde dem Gedächtnis des braven Wiedertäufers und Panglosens einige Zähren; hierauf sprach sie zu Kandide wie folgt. Ebenso gierig als er das liebreizende Mädchen mit den Augen verschlang, verschlang er auch jedes ihrer Worte.

Achtes Kapitel: Baroneß Kunegundens Geschichte
    Ich schlief noch ganz wohlbehäglich, als es dem Himmel gefiel, Bulgaren in unser schönes Schloß Donnerstrunkshausen zu senden. Mein Vater und Bruder mußten über die Klinge springen, meine Mutter hieben sie in Krautstücken. Bei diesem gräßlichen Auftritt verlor ich alle Besinnung. Dies nutzte ein langer Bulgar von sechs Schuh, machte sich über mich her und begann, mich zu schänden. Hierdurch erwacht' ich von meiner Ohnmacht, bekam all' meine Sinne wieder, kreischte laut, zerrang und zerarbeitete mich, um loszukommen, biß um mich, kratzte, wollte dem großen Tölpel die Augen ausreißen. Hätt' ich gewußt, daß das alles Kriegsgebrauch wäre, ich hätte mich anders dabei benommen.
    Der Unmensch gab mir mit seinem Degen einen Stich in die linke Seite, wovon ich noch die Narbe habe. Die ich doch wohl werde zu sehn bekommen? fragte Kandide ganz in seines Herzens Unschuld. Warum das nicht! sagte Kunegunde, allein jetzt lassen Sie mich nur weitererzählen. "Das tun Sie, gnädige Baroneß, das tun Sie!"
    Sie knüpfte den Faden ihrer Geschichte folgendermaßen wieder an:
    Ein bulgarischer Hauptmann trat in mein Schlafgemach, sähe wie mein Blut herabtropft, der Soldat blieb, wo er Posten gefaßt hatte. Der Hauptmann ward wild, daß dies Vieh so wenig Subordination bezeigte, und stach ihn auf meinem Leibe tot, er ließ mich hierauf verbinden und führte mich als Kriegsgefangne in sein Quartier. Ich wusch ihm sein paar Hemden und bestellte seine Küche.
    Er fand – muß ich gestehen –, daß ich ein gar niedlich Ding sei, und er war – ich kann's gar nicht in Abrede sein – eine sehr wohlgebaute Mannsperson, hatte eine weiche, weiße Haut, aber herzlich wenig Kopf und noch weniger Philosophie: man merkt' es ihm gleich an, daß er kein Schüler des großen Panglos gewesen war. Binnen einem Vierteljahr war all' sein Geldchen fort und er meiner überdrüssig; er verkaufte mich an den Don Isaschar, einen Juden, der nach Holland und Portugal handelte und ein ungemeiner Liebhaber von Frauenzimmern war.
    Wie der Mann an mir hing, wie er mit Bitten und Gewalt in mich drang, und doch konnt' er nicht siegen. Ich tat ihm tapfrern Widerstand als dem bulgarischen Soldaten. Ein rechtschaffnes Mädchen kann wohl einmal geschändet werden, aber dadurch wird sie um so mehr Lukrezia. Um mich zahmer zu machen, führte mich der Jude auf dies Landhaus hier. Ich hatte bisher geglaubt, es gäbe kein schöners Schloß als das unsrige, nunmehr wurd' ich eines Bessern belehrt.
    Eines Tages ward mich der Großinquisitor in der Messe gewahr, er warf während des hohen Amts die lüsternsten, buhlendsten Blicke auf mich und ließ mir melden, er hätte mir etwas unter vier Augen zu sagen. Ich ward in seinen Palast gebracht, entdeckte ihm meine Herkunft; er stellte mir vor, wie weit es unter meinem Range wäre, einem Schuft von Juden anzugehören, und ließ dem Don Isaschar den Vorschlag tun, mich Ihro Hochwürden Gnaden abzutreten. Dazu wollte sich Don Isaschar nicht verstehn; der Mann ist Hof Wechsler und gilt viel. Der Inquisitor drohte ihm mit einem Autodafé.
    Das wirkte; jagte meinen Juden ins Horn. Husch! schloß er einen Vergleich mit dem Pfaffen; vermöge dessen gehör' ich und
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