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Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Titel: Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
Autoren: Martin Korte
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sagen: »Alles, was in der Gesellschaft von Wert ist, hängt davon ab, welche Entwicklungsmöglichkeiten sie dem Individuum gewährt.«
    Der Altersforscher Gene D. Cohen schreibt in seinem Buch Geistige Fitness im Alter: »Das gängige Bild des Älterwerdens ist das eines fortschreitenden Verlusts, bei dem nach Erreichen des Erwachsenenalters die Entwicklungsuhr gewissermaßen rückwärts zu laufen beginnt, bis wir wieder auf dem Niveau der Kindheit angelangt sind.« Bis zu einem gewissen Grad stimmt diese Beobachtung auch, allerdings vor allem für Menschen mit einer Erkrankung des Gehirns, wie sie die Alzheimer-Krankheit darstellt. Aber das Altern nur als den Versuch zu begreifen, die Leistungsfähigkeit des Erwachsenengehirns möglichst gut vor dem Verfall zu schützen, greift eben zu kurz. Dies wird auch belegt durch die Entwicklung der kristallinen Intelligenz (Pragmatik, vgl. Abb. 2), die sich bis zum 85. Lebensjahr, zum Teil sogar darüber hinaus, erstrecken kann. Entwicklung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das geistige und emotionale Potenzial eines Menschen immer weiter zur Entfaltung kommt – und bestimmte Fähigkeiten noch weiter entwickelt werden können (siehe Kapitel 6).
    Die Weiterentwicklung des Gehirns nach der Geburt beginnt damit, dass erst einmal riesige Zellmengen produziert werden, die ihren Platz im Gehirn finden müssen. Die neuronalen Zellen, die alle noch vor der Geburt an ihren richtigen Platz verschoben werden müssen, sind schon immens, aber so richtig bricht der Entwicklungssturm erst nach der Geburt los, wenn die einzelnen Nervenzellen, ausgehend von ihren Stammplätzen, ihre Verzweigungen ausbilden: An jeder Nervenzelle wachsen lange Wurzeln und ein dichtes Netzwerk aus Zweigen mit unzählig vielen Knospen. Gemeint sind die Dendritenbäume der Nervenzellen, auf denen bei erregenden Nervenzellen sehr häufig sogenannte Dornen sitzen. Auf diesen Dornen befinden sich die Synapsen. Sie sind die Kontaktstellen zwischen Nervenzellen, über die eine Nervenzelle mithilfe chemischer Botenstoffe (Neurotransmitter) Nachrichten aus vorgeschalteten Zellen empfängt. Während innerhalb einer Nervenzelle Informationen vor allem über elektrische Erregung weitergeleitet werden, übernehmen Neurotransmitter die Erregungsweiterleitung auf andere Zellen. Während bei der Geburt eine einzige Nervenzelle in der Sehrinde etwa 2500 Synapsen hat, sind es acht Monate später sechs Mal so viele! Danach geschieht allerdings etwas Überraschendes: Bis zum elften Lebensjahr hat sich die Zahl auf 10.000 Synapsen pro Nervenzelle reduziert und bleibt dann im statistischen Mittel über viele Jahrzehnte stabil.
    Synapsen über Synapsen
    Die Synapsenbildung im größeren Maßstab dauert von der Geburt bis in das hohe Alter hin an. Was nicht in Abrede stellen soll, dass sie nach der Geburt besonders intensiv betrieben wird: Allein in den ersten Lebensmonaten erhöht sich ihre Zahl um den Faktor 20. Am Ende dieses Prozesses hat eine einzelne Nervenzelle in der Großhirnrinde 10.000 bis 15.000 Synapsen. Rechnet man von diesem Wert aus die Anzahl der Synapsen aus, die pro Sekunde von der Geburt bis zum zweiten Lebensjahr entstanden sei müssen, so kommt man auf den unglaublichen Wert von 1,8 Millionen Synapsen pro Sekunde! Um diesen riesigen Ansturm von Synapsen bewältigen zu können, erhöht sich die Komplexität und Länge der Dendritenbäume um das Fünffache. Es ist fast so, als ob aus einer Lichtung mit wenigen Bäumen im Zeitraffer ein dichter Wald mit überlappenden Baumkronen würde. Die Großhirnrinde verdreifacht dabei ihre Dicke – ohne dass neue Nervenzellen geboren werden. Diese Geschwindigkeit, mit der funktionelle und strukturelle Veränderungen im Gehirn vor sich gehen, wird nie wieder erreicht, auch wenn sich das Gehirn in jeder Altersstufe funktionell und strukturell in seinen Verschaltungseigenschaften verändert. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass über das gesamte Leben hinweg an zwei Stellen im Gehirn noch neue Nervenzellen gebildet werden können (adulte Neurogenese). Aber dazu später mehr (siehe Kapitel 4).
    Immer fett umhüllt
    Zurück zum kindlichen Gehirn: Bei seiner Geburt wiegt das Gehirn des Menschen zwischen 250 und 300 Gramm. Das sind etwa 20 % seines Endgewichts – im Gegensatz zu dem eines Schimpansen, das bei der Geburt bereits 40 % seines Endgewichts hat. Obwohl das Gehirn zu diesem Zeitpunkt nur 10 % des Körpergewichts ausmacht, liegt sein Energieverbrauch bei 50 %
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