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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis
Autoren: Juliet Hall
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Abends.
    »Ich mag ihn wirklich gern, Luce«, hauchte Vivien. »Was hältst du davon, wenn wir den Rest unseres Urlaubs hierbleiben?«
    »Ich habe nichts dagegen.« Lucy lag auf dem Rücken und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt. »Ich würde Brian auch gern ein bisschen besser kennenlernen.« Sie kicherten.
    Als sie wieder zu Hause in West Sussex waren, erklärten ihr alle, dass es nur ein Urlaubsflirt gewesen sei. Sie sei doch erst sechzehn, sagten sie, und habe noch das ganze Leben vor sich. Das stimmte. Es war nur so, dass Vivien es nun mit Tom verbringen wollte.
    »Viv? Es ist so schön draußen. Viel zu schön, um hier drinnen zu sitzen«, sagte Tom.
    Statt zu antworten, zog Vivien eine Augenbraue hoch und fuhr mit ihrem nassen Pinsel über den oberen Teil des Papiers.
    Tom machte ein enttäuschtes Gesicht.
    Sie spürte es. »Wenn du mit der Arbeit fertig bist, geh doch spielen«, sagte sie und lächelte, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen.
    Er betrachtete sie. »Wie lange brauchst du noch?«
    Vivien seufzte leise und lächelte verhalten. Sie hatte alles genau geplant: die Lasur fertig machen, Abendessen vorbereiten, das Material zum Aufziehen des Bildes zusammmensuchen, weitermalen   – die ersten richtigen Farben, der aufregende Teil   –, Abendessen kochen, Ruby anrufen, dann ein entspannter Abend mit Tom und dem Fernseher.
    Sie hob das Papier hoch, damit die Lavierung nach unten verlaufen konnte, und sorgte mit rhythmischen Pinselstrichen für die erwünschte Wirkung. Dann hielt sie inne und sah ihr Werk stirnrunzelnd an. »Woran hattest du denn gedacht?«
    »Eine Motorradfahrt an die Pride Bay? Ich muss eine Testfahrt damit machen. Ich habe am Vergaser herumgebastelt.«
    »Ach ja?« Er wusste wirklich, wie man eine Frau in Versuchung führte   …
    »Ein Eis?«, setzte er hinzu. »Ein Spaziergang am Hafen und vielleicht ein Bier?«
    »In dieser Reihenfolge?« Vivien rüttelte ein wenig an dem Papier.
    »Wir können auch zuerst spazieren gehen und dann ein Eis essen. Born to be wild, mein Schatz. Was meinst du?«
    Sie schmunzelte. »Na schön. Ich könnte eine Pause gut gebrauchen. Lässt du mir noch zehn Minuten?« Innerlich plante Vivien ihren Abend um. Schließlich war Spontaneität eine der Eigenschaften, die sie an ihrem Mann liebte.
    »Braves Mädchen. Schöne Farbe übrigens.« Er nickte beifällig. »Ich mache uns schnell noch eine Tasse Tee.« Und fort war er.
    Vivien legte den Kopf zur Seite und inspizierte die Lasur. Sie war genau richtig   – nur ein Hauch von Farbe, eine Andeutung.
    Das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass er ihr nicht verzeihen würde, dachte sie, während sie den Pinsel in das Wasserglas stellte. Deswegen hatte sie nie etwas gesagt. Zu Beginn hatte es viele stichhaltige Gründe dafür gegeben, nichts zu sagen. Die existierten immer noch. Aber jetzt   … Wenn er ihr nicht verzeihen würde, wäre das zu furchtbar, um darüber nachzudenken. Das Geheimnis und seine Wahrung waren zu einer Mauer zwischen ihnen geworden, die schwer zu überwinden war.
    Vivien überlegte, wie die Sache im besten Fall ausgehen könnte? Sie war sich nicht sicher, ob es einen besten Fall gab. Sie wählte aus dem Haufen, der vor ihr lag, ein paar Farbtuben aus und ließ den Rest wieder zurück in die große Keksdose klappern, in der sie aufbewahrt wurden. War Ehrlichkeit an und für sich ein Wert? Sie quetschte versuchsweise ein paar Farbkleckser heraus und schob sie mit ihrem Mischpinsel ein wenig herum. Nein. Das Beste   – für sie   – würde sein, dass sie sich dann keine Gedanken mehr deswegen zu machen brauchte. Dass sie offen über alles sprechen könnte, das Wie und Warum darlegen und erklären, wie das alles hatte passieren können.
    Ah. Sie seufzte und schraubte die Verschlüsse wieder auf die Farben. Später.
    Genau das musste sie tun   – erklären, wie das alles passiert war.

3. Kapitel
    FUERTEVENTURA, JUNI 2012
    L angsam und nur mit Mühe richtete sich Schwester Julia auf. Es dämmerte. Sie wischte sich den feinen Staub von ihrem weißen Habit. Er war das sichtbare Zeichen ihres Rückzugs aus der Welt, das Symbol ihrer Zugehörigkeit zur Klostergemeinschaft, ihrer spirituellen Familie. Staub. Staub zu Staub. Asche zu Asche   … Eine Erinnerung (als ob sie noch eine bräuchte) an all die Todesfälle, die sie miterlebt hatte. An die Entscheidung, die sie hatte treffen müssen.
    Sie ließ den Rosenkranz durch ihre Finger gleiten. Hier war es immer
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