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Jugend

Jugend

Titel: Jugend
Autoren: Josef Conrad
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das Schiff eine Weile ruhig, und das Ding, was immer es sein mochte, schlug abermals gegen mein Bein. Diesmal bekam ich es zu fassen – und was war es? Eine Pfanne. Stumpfsinnig vor Erschöpfung und an nichts anderes als die Pumpen denkend, begriff ich anfangs nicht, was ich da in der Hand hielt. Plötzlich dämmerte es mir, und ich brüllte: ›Leute, das Deckhaus ist fort. Laßt das Pumpen; wir müssen nach dem Koch sehen.‹
    Vorne stand ein Deckhaus, das die Kombüse, die Koje des Kochs und die Unterkünfe der Mannschaf enthielt. Da wir schon seit Tagen damit gerechnet hatten, daß es fortgespült würde, war die Mannschaf angewiesen worden, achtern im Salon zu schlafen – dem einzigen sicheren Ort auf dem Schiff. Der Steward Abraham jedoch hatte darauf bestanden, in seiner Koje zu bleiben, eigensinnig wie ein Maulesel – aus schierem Entsetzen, nehme ich an, einem Tier gleich, das bei einem Erdbeben seinen zusammenstürzenden Stall nicht verlassen will. So machten wir uns auf, um nach ihm zu suchen. Dabei mußten wir unser Leben aufs Spiel setzen, denn ohne gelascht zu sein waren wir so schutzlos wie auf einem Floß. Aber wir machten uns dennoch auf. Das Haus war zertrümmert, als wäre eine Granate darin explodiert. Es war zum größten Teil über Bord gegangen – Herd, Mannschafslogis, samt den Habseligkeiten der Leute, alles war fort; doch wie durch ein Wunder waren zwei Pfosten stehengeblieben, die einen Teil des Schotts hielten und an die Abrahams Koje befestigt war. Wir tappten in den Trümmern umher und stießen auf die Pfosten, und da war er: saß auf seinem Bett, umgeben von Schaum und Verwüstung, und plapperte munter vor sich hin. Er war von Sinnen; vollkommen und für alle Zeiten irre nach diesem Schock, den er noch hatte erleiden müssen, als er mit seinen Kräfen schon am Ende war. Wir packten ihn, schleppten ihn nach achtern und warfen ihn kopfüber durch den Kajütsniedergang hinunter. Ihr versteht, wir hatten nicht die Zeit, ihn mit aller erdenklichen Behutsamkeit hinunterzutragen und abzuwarten, was er nun machen werde. Die da unten würden ihn schon am Fuß der Treppe auflesen. Wir hatten es eilig, zu den Pumpen zurückzukehren. Dieses Geschäf duldete keinen Aufschub. So ein Leck ist ein unmenschliches Ding.
    Man hätte denken können, diesem verf lixten Sturm sei es nur darum zu tun gewesen, aus jenem armen Teufel von einem Mulatten einen Wahnsinnigen zu machen. Er flaute ab, noch ehe der Morgen graute, und am nächsten Tag klarte der Himmel auf, und da sich die Wogen glätteten, kam das Leck über Wasser. Als man daranging, einen neuen Satz Segel anzuschlagen, verlangte die Mannschaf, daß umgekehrt werde – und wirklich blieb uns nichts anderes übrig. Die Boote über Bord, die Decks reingefegt, die Kajüte ausgeräumt, die Männer ohne ein Stück Zeug, außer dem bißchen, was sie auf dem Leib trugen, der Proviant verdorben, das Schiff überanstrengt. Wir drehten um, und – ist es zu glauben? – der Wind kam jetzt aus Ost, uns direkt ins Gesicht. Ein frischer stetiger Gegenwind. Wir mußten jeden Zollbreit des Weges aufreuzen, aber das Schiff leckte nicht allzusehr, da das Wasser verhältnismäßig ruhig war. Von vier Stunden jeweils zwei pumpen zu müssen ist kein Spaß – doch es hielt das Schiff flott bis nach Falmouth.
    Die guten Leute dort leben von den Unfällen auf See, und sie waren zweifellos froh, als sie uns sichteten. Eine Schar hungriger Zimmerleute wetzte ihre Meißel, als dieser Kadaver von einem Schiff in Sicht kam. Und wahrhafig! sie machten ganz hübsche Einnahmen an uns, ehe sie fertig waren. Ich vermute, der Eigner saß schon ziemlich fest in der Klemme. Es kam zu Verzögerungen. Dann wurde beschlossen, einen Teil der Ladung löschen und die obere Bordwand kalfatern zu lassen. Das wurde ausgeführt, die Reparaturen beendet, die Ladung wieder übergenommen; eine neue Mannschaf kam an Bord, und wir liefen aus – nach Bangkok. Eine Woche später waren wir wieder zurück. Die Mannschaf erklärte, sie ginge nicht mit nach Bangkok – eine Reise von hundertundfünfzig Tagen – auf einem Kahn, auf dem man von vierundzwanzig Stunden acht pumpen müsse; und die Schiffahrtszeitungen enthielten abermals den Vermerk: ›Judea. Bark. Tyne nach Bangkok; Kohle; leck nach Falmouth zurück; Mannschaf verweigert Dienst.‹
    Es gab weitere Verzögerungen – weitere Pfuscharbeit. Der Eigner kam für einen Tag herunter und meinte, das Schiff sei tadellos im Schuß. Der
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