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Jugend ohne Gott (German Edition)

Jugend ohne Gott (German Edition)

Titel: Jugend ohne Gott (German Edition)
Autoren: Ödön von Horvath
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Caesar, es ist sein Stammlokal. Er freut sich ehrlich, mich zu sehen.
    »Es war anständig von Ihnen, das mit dem Kästchen zu sagen, hochanständig! Ich hätts nicht gesagt! Respekt, Respekt!«
    Wir trinken und sprechen über den Prozeß.
    Ich erzähle vom Fisch –
    Er hört mir aufmerksam zu.
    »Natürlich ist der Fisch derjenige«, meint er. Und dann lächelt er: »Wenn ich Ihnen behilflich sein kann, ihn zu fangen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung, denn auch ich habe meine Verbindungen –«
    Ja, die hat er allerdings.
    Immer wieder wird unser Gespräch gestört. Ich sehe, daß Julius Caesar ehrfürchtig gegrüßt wird, viele kommen zu ihm und holen sich Rat, denn er ist ein wissender und weiser Mann.
    Es ist alles Unkraut.
    Ave Caesar, morituri te salutant!
    Und in mir erwacht plötzlich die Sehnsucht nach der Verkommenheit. Wie gerne möchte ich auch einen Totenkopf als Krawattennadel haben, den man illuminieren kann!
    »Passen Sie auf Ihren Brief auf!« ruft mir Caesar zu.
    »Er fällt Ihnen aus der Tasche!«
    Ach so, der Brief!
    Caesar erklärt gerade einem Fräulein die neuen Paragraphen des Gesetzes für öffentliche Sittlichkeit. Ich denke an Eva.
    Wie wird sie aussehen, wenn sie so alt sein wird wie dieses Fräulein? Wer kann ihr helfen?
    Ich setze mich an einen anderen Tisch und schreibe meinen Eltern.
    »Macht Euch keine Sorgen, Gott wird schon helfen!«
    Und ich zerreiße den Brief nicht wieder.
    Oder schrieb ich ihn nur, weil ich getrunken habe?
    Egal!

Am nächsten Tag überreicht mir meine Hausfrau ein Kuvert, ein Laufbursche hätte es abgegeben.
    Es ist ein blaues Kuvert, ich erbreche es und muß lächeln.
    Die Überschrift lautet:
    »Erster Bericht des Klubs.«
    Und dann steht da:
    »Nichts Besonderes vermerkt.«
    Jaja, der brave Klub!
    Er kämpft für Wahrheit und Gerechtigkeit, kann aber nichts Besonderes vermerken!
    Auch ich vermerke nichts.
    Was soll man nur tun, damit sie nicht verurteilt wird? Immer denke ich an sie –
    Liebe ich denn das Mädel?
    Ich weiß es nicht.
    Ich weiß nur, daß ich ihr helfen möchte –
    Ich hatte viele Weiber, denn ich bin kein Heiliger, und die Weiber sind auch keine Heiligen.
    Aber nun liebe ich anders.
    Bin ich denn nicht mehr jung?
    Ist es das Alter?
    Unsinn! Es ist doch noch Sommer.
    Und ich bekomme jeden Tag ein blaues Kuvert: zweiter, dritter, vierter, fünfter Bericht des Klubs.
    Es wird nichts Besonderes vermerkt.
    Und die Tage vergehen –
    Die Äpfel sind schon reif, und nachts kommen die Nebel.
    Das Vieh kehrt heim, das Feld ist kahl –
    Ja, es ist noch Sommer, aber man wartet schon auf den Schnee.
    Ich möchte ihr helfen, damit sie nicht friert.
    Ich möchte ihr einen Mantel kaufen, Schuhe und Wäsche.
    Sie braucht es nicht vor mir auszuziehen –
    Ich möchte nur wissen, ob der Schnee kommen kann.
    Noch ist alles grün.
    Aber sie muß nicht bei mir sein.
    Wenns ihr nur gut geht.

Heute vormittag bekam ich Besuch. Ich habe ihn nicht sogleich wiedererkannt, es war der Pfarrer, mit dem ich mich mal über die Ideale der Menschheit unterhalten hatte.
    Er trat ein und trug Zivil, dunkelgraue Hosen und einen blauen Rock.
    Ich stutzte. Ist er weggelaufen?
    »Sie wundern sich«, lächelt er, »daß ich Zivil trage, aber das trage ich meistens, denn ich stehe zu einer besonderen Verfügung – kurz und gut: meine Strafzeit ist vorbei, doch reden wir mal von Ihnen! Ich habe Ihre tapfere Aussage in den Zeitungen gelesen und wäre schon früher erschienen, aber ich mußte mir erst Ihre Adresse beschaffen. Übrigens: Sie haben sich stark verändert, ich weiß nicht wieso, aber irgend etwas ist anders geworden an Ihnen. Richtig, Sie sehen viel heiterer aus!«
    »Heiterer?«
    »Ja. Sie dürfen auch froh sein, daß Sie das mit dem Kästchen gesagt haben, auch wenn Sie jetzt die halbe Welt verleumdet. Ich habe oft an Sie gedacht, obwohl oder weil Sie mir damals sagten, Sie glaubten nicht an Gott. Inzwischen werden Sie ja wohl angefangen haben, etwas anders über Gott zu denken –«
    Was will er? denke ich und betrachte ihn mißtrauisch.
    »Ich hätte Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen, aber zunächst beantworten Sie mir, bitte, zwei Fragen. Also erstens: Sie sind sich wohl im klaren darüber, daß Sie, selbst wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Sie niederschlagen sollte, nie wieder an irgendeiner Schule dieses Landes unterrichten werden?«
    »Ja, darüber war ich mir schon im klaren, bevor ich die Aussage machte.«
    »Das freut mich! Und nun
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