Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Josepsson, Aevar Örn

Josepsson, Aevar Örn

Titel: Josepsson, Aevar Örn
Autoren: Wer ohne Sünde ist
Vom Netzwerk:
Unangenehmeres konnte er sich kaum vorstellen. Bei dem Gedanken an dieses Gespräch, eines von vielen, das ihm mit dem Meister vergönnt gewesen war, seitdem er nicht mehr in die Irre ging, sondern auf dem einzig wahren Pfad wandelte, wurde ihm warm ums Herz, und die letzten Reste des Argwohns wurden hinweggefegt. Auf dem Weg zu seiner Wohnung in Krummahólar murmelte er ständig vor sich hin.
    »Nicht zurückschauen, das ist vergangen, dort ist die Trauer, die Sünde, die Schande«, brummte er. »Lebe mit dem Herrn, lebe wohlbehalten, denn bei ihm sind Freude, Glück und ewige Seligkeit …«
    *
    »Tür zu«, sagte der Mann leise. Magnús tat wie geheißen und nahm widerspruchslos auf dem Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch Platz, da der Gast sich auf seinem Schreibtischstuhl breitgemacht hatte. »Wer war das?«
    Die schwarz gekleideten Gorillas, die dem Mann auf Schritt und Tritt folgten, standen jetzt mit vor der Brust verschränkten Armen rechts und links von ihm und starrten Magnús an. Die beiden Mädchen dagegen saßen auf dem Sofa und machten einen ziemlich abgedrehten Eindruck, genau wie die meisten anderen Begleiterinnen dieses Mannes. Meister Magnús tat, als würde ihm diese Unverschämtheit nichts ausmachen, aber sie hatte ihn unbestreitbar etwas aus der Fassung gebracht. Bislang hatte der Mann ihm die selbstverständliche Höflichkeit erwiesen, sich auf den Besucherplatz zu setzen und ihm den Schreibtischstuhl zu überlassen. Er räusperte sich.
    »Das war nur Óli, der Elektriker. Ein armes Schwein, vollkommen harmlos. Invalide und Alkoholiker.«
    »Er hat mich erkannt. Was hat er gesagt? Und was hast du gesagt?«
    »Mach dir keine Gedanken. Ich glaube nicht, dass er dich erkannt hat. Und selbst wenn dem so wäre, ist es völlig überflüssig, sich wegen dem armen Óli Gedanken zu machen.«
    »Besten Dank, ich entscheide selber, worüber ich mir Gedanken mache, ich brauche dazu keinen Rat von dir. Und genauso wenig von Gott.« Jetzt setzte er sein Lächeln auf, das manchmal Gutes verhieß. »Du hast mir grünes Licht gegeben, du hast gesagt, dass alle weg seien.«
    »Ja, ich glaubte, dass …«
    »Sei das nächste Mal sicher. Glauben bringt nichts, mein lieber Freund. Wie heißt Óli der Elektriker wirklich? Óli oder Ólafur? Wessen Sohn ist er? Wo wohnt er? Wie versoffen ist er?«
    Magnús befeuchtete so unauffällig wie möglich die Lippen. Sein Gast lächelte immer noch, die personifizierte Geduld. Das wiederum verhieß in diesem Fall nichts Gutes. So war es auch das erste Mal gewesen, als Magnús es erlebte. Der Unterschied war der, dass er das damals erst begriffen hatte, als es zu spät war.
    *
    Später an diesem Abend, als Ólafur sich eine weitere Packung mit geräuchertem Lammfleisch nebst Zutaten und außerdem drei Gin Tonics zu Gemüte geführt hatte, begann sich wieder der Zweifel in Ólafurs Herz und Sinn einzunisten. Er konnte sich zwar immer noch nicht daran erinnern, woher er den Mann kannte, aber die Begegnung mit ihm weckte unangenehme und unwillkommene Fragen in ihm. Er versuchte zwar nach Kräften, sie zu verdrängen, aber je mehr Gin er sich einverleibte, desto aufdringlicher wurden sie.
    Beim vierten Glas beschloss er kurzerhand, den Meister persönlich anzurufen, nahm dann aber in allerletzter Sekunde Abstand davon. Der Meister hatte es ihm ja erklärt, was würde er jetzt denken, wenn Ólafur ihn anriefe und noch einmal um eine Erklärung bat? Aber er musste mit irgendjemandem reden.
    Bárður konnte er nicht anrufen, der würde das bestimmt auf die schlimmste Weise auslegen, falls er überhaupt bereit wäre, mit ihm zu reden. Hólmfríður war keinen Deut besser. Sigurlaug würde wie immer nicht ans Telefon gehen, und dann blieben nur noch wenige übrig. Eigentlich niemand. Er war zwar seit mittlerweile vier Jahren in dieser Gemeinde, kannte aber keinen seiner Brüder und Schwestern im Herrn gut genug, um einfach so bei ihnen anzurufen, und erst recht nicht mit einem derartigen Anliegen. Sie würden ihm auch nur Vorwürfe machen, weil er dem Meister gegenüber Misstrauen an den Tag legte. Und ihn womöglich verraten. Nein, unter denen war niemand, mit dem man reden konnte. Oder vielleicht doch?
    Ólafur erhob sich ächzend aus seinem Lazy Boy und holte das Telefonbuch. Er musste sich ganz vorsichtig ausdrücken und möglichst vermeiden, den Meister beim Namen zu nennen. Bloß nach diesen Leuten fragen – oder nach diesem einen Mann, der ihm bekannt vorkam, ihn beschreiben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher