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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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noch immer nicht genug, denn Milda gab den Rest ihres Wochenlohns für ein Paar neue Schuhe aus.
    »Zur Feier des Tages«, sagte sie. »Ich hab sie zufällig gesehen. Sind sie nicht schön?«
    Mitt hätte wirklich hungern müssen, wenn Siriol, der mürrisch aussehende Verräter, nicht seine Tochter Lydda mit einem Korb kleiner Fische vorbeigeschickt hätte. Lydda war ein dickliches, unterwürfiges Mädchen von zwölf Jahren. Sie zeigte Milda, wie man die Fische zubereitete, und bewunderte deren schöne neue Schuhe sehr. Vielleicht erzählte Lydda sogar ihrem Vater davon. Auf jeden Fall konnten Mitt und Milda sich satt essen und hatten sogar noch genügend Fisch für das Frühstück übrig. Milda stellte ihn außen auf die Fensterbank ihres Zimmers, damit er nicht verdarb. In der Nacht krabbelten jedoch die Ameisen an der Hausmauer hoch und fraßen die Reste auf. Als Mitt das Fenster öffnete, um das Frühstück hereinzuholen, fand er nur noch ein paar Gräten. Enttäuscht blickte er sie an, doch da kam Siriol in seinen Holzpantinen vernehmlich die Treppe herauf und betrat das Zimmer, obwohl ihn niemand hereingebeten hatte.
    »Wie ich sehe, habt ihr euer Frühstück verloren«, sagte er. »Dann kommt ihr wohl lieber mit zu mir und esst etwas. Am besten wäre es wohl, Milda, wenn er in Zukunft mit mir zum Fischen ausfährt. Ich habe nämlich daran gedacht, mir einen Lehrjungen zu nehmen.«
    »Also…«, sagte Milda.
    »Freie Holander kümmern sich um ihresgleichen«, sagte Siriol.
    Angesichts dessen, was er über Siriol wusste, verschlug es Mitt die Sprache. Er konnte nur dabeistehen und musste es Milda überlassen, für ihn das Angebot abzulehnen. Zu seinem Erstaunen aber schenkte seine Mutter Siriol ein erleichtertes Lächeln, bedankte sich immer wieder für seine Großzügigkeit und stimmte ihm unablässig zu, dass es das Beste für Mitt wäre, wenn er mit Siriol zum Fischen ausfuhr.
    »Ich brauche gar kein Frühstück«, mehr fiel Mitt nicht ein.
    »Seid in einer halben Stunde bei mir«, sagte Siriol und stapfte davon.
    Mitt fuhr zu Milda herum. »Aber er hat Vater verraten!«, fuhr er sie leidenschaftlich an. »Wie kannst du da hingehen und einverstanden sein?«
    Milda hob die Schultern, und die Runzel in ihrem Gesicht wurde sehr tief und bitter. »Das weiß ich. Aber wir müssen von etwas leben. Und vielleicht findest du eher eine Gelegenheit, es ihm heimzuzahlen, wenn du immer in seiner Nähe bist.«
    Davon ließ sich Mitt besänftigen. Und natürlich änderte sich einiges, nachdem er eine Arbeit hatte. Siriol war ein sehr gewissenhafter Mensch und zahlte Mitt den vollen Lehrjungenanteil aus. Wenn sie einen guten Fang machten, dann verdiente Mitt fast so viel wie Milda. Angesichts dessen störte es ihn kaum, welche Arbeit er tun musste. Er mochte das Fischen nicht, und er konnte Siriol nicht leiden. Er konnte kaum sagen, was er mehr verabscheute.
    Fischen bestand aus Langeweile, Entbehrungen und unvermittelter Schwerstarbeit. Siriol war immer mürrisch und wortkarg und bestand darauf, dass alles mit größter Gewissenhaftigkeit ausgeführt wurde. Mitt begriff sehr schnell, dass er ihm keinen Fehler durchgehen ließ. Am ersten Tag vergaß er, ein Tau so aufzurollen, wie Ham es ihm gezeigt hatte. Siriol nahm das Ende des Taus – in dem sich ein Knoten befand – und schlug Mitt damit auf den Rücken. Mitt funkelte ihn wütend an.
    »Tu, was man dir sagt, Mitt«, ermahnte ihn Siriol, »und tu es richtig. Sonst setzt es was. Eines Tages wirst du froh sein, dass du weißt, wie man es richtig macht.«
    So klein Mitt auch war, musste er sich doch die Wachen mit dem großen, schwerfälligen Ham, Siriols Maat teilen. Er lernte, das oft reparierte Segel und die Netze zu flicken und Fische auszunehmen. Siriol und Ham lehrten ihn das Steuern, zuerst bei Tag, was einfach war, dann brachten sie ihm bei, sich nachts nach den Sternen zu richten und schließlich in pechschwarzer Finsternis danach, wie der Wind sich anfühlte, wie das Wasser klang und wie die Segel zogen. Sie lehrten ihn auch, schlechtes Wetter zu riechen, bevor es nahe genug war, um ihm zu schaden. Mitt erfuhr am eigenen Leib, was Frostbeulen sind und wie es sich anfühlte, zu lange zu nass und zu kalt gewesen zu sein. Und alles, was er lernte, lernte er zu verabscheuen, bis es ihm zur zweiten Natur geworden war; und er lernte seine Fertigkeiten in so zartem Alter, dass sie ihn sein ganzes Leben lang begleiteten.
    Über eins staunte Mitt: dass er das Meer nicht
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