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Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Titel: Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)
Autoren: Dirk Ahner
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auf einer verbockten Mathe-Arbeit, die ich nie zuvor gesehen habe?«
    Jonathan spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. »Ich meine es ernst. Hast du gestern irgendwas gesehen? Eine Frau vielleicht?«
    Cornelius seufzte. »Du hast wieder eins von diesen Büchern gelesen, nicht wahr? Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du spätabends nicht mehr lesen sollst! Jungs in deinem Alter haben auch so schon eine lebhafte Fantasie. Wenn du etwas weniger Zeit in deine Romane und etwas mehr in deine Mathe-Hausaufgaben investiert hättest, müsstest du nicht meine Unterschrift fälschen.«
    Jonathan verdrehte die Augen. »Sag einfach, ob du etwas gesehen hast.«
    »Eine Frau? Was für eine Frau?«
    »Ich weiß nicht. Eine Frau mit langen Fingernägeln.«
    Cornelius zuckte zusammen, als ob ein Stromstoß durch seinen Körper fuhr. Alle Farbe wich ihm aus dem Gesicht.
    »Lange Fingernägel?«
    »Ja. Sie war heiser … sie klang, als wäre sie erkältet.«
    »Hast du mit ihr gesprochen, dieser … Frau? Hat sie etwas zu dir gesagt?«
    »Nein. Vielleicht. Ich bin mir nicht ganz sicher. Irgendwie komisch, das alles. Vielleicht hab ich nur geträumt. Vielleicht aber auch nicht.«
    Cornelius stellte den Kaffee zur Seite. Er bemühte sich um Fassung, er wollte nicht, dass Jonathan bemerkte, wie erschrocken er war. Rasch wandte er sich ab und stellte das Geschirr in die Spülmaschine.
    »So jemand wäre mir aufgefallen. Sag mal, musst du nicht zur Schule?«
    »Papa, heute haben die Sommerferien begonnen. Hast du doch eben selbst gesagt.«
    Cornelius lachte gekünstelt. »Das kommt davon, wenn man kaum geschlafen hat. Ich brauche erst einmal eine heiße Dusche. Und du wirst jetzt was Richtiges frühstücken, nicht diesen Weißmehlmist, klar?«
    Was war plötzlich mit seinem Vater los? So verwirrt hatte Jonathan ihn noch nie erlebt. Er stellte sich ihm in den Weg.
    »Du kennst diese Frau!«, stellte er fest.
    Mit gespielter Verärgerung schob Cornelius sich an ihm vorbei. »Jonathan, du hast einfach nur schlecht geträumt, weil du mal wieder zu viel Schund gelesen hast.«
    Das Ablenkungsmanöver war zu durchsichtig. Jonathan spürte, dass sein Vater ihm etwas verheimlichte. Es musste etwas Schlimmes sein, wenn es ihm solche Angst machte.
    »Wenn du sie kennst, dann musst du es mir sagen!«
    Cornelius legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihn ernst an. »Jungs denken sich eine Menge Blödsinn aus. Aber das ist es: nichts weiter als Blödsinn. Es gibt keine Frau mit langen Fingernägeln, genauso wenig, wie es den Weihnachtsmann gibt.«
    Jonathan streifte seine Hand ab und trat einen Schritt zurück. »Dann schwöre, dass du ihr noch nie begegnet bist.«
    »Aber Jonathan, das ist doch lächerlich …«
    »Schwöre es!«
    Für die Dauer eines Herzschlages zögerte Cornelius. Dann hob er die Hand. »Also gut, ich schwöre. Zufrieden?«
    Jonathan sagte nichts, was Cornelius als schweigende Zustimmung deutete. Er war froh, das Thema beenden zu können, und ging ins Badezimmer. Jonathan blieb zurück. Der Tag, der eben noch so hell und sommerlich gewesen war, durchzog sich plötzlich mit grauen Wolken. Jonathan liebte seinen Vater über alles und hatte ihm stets vertraut. Cornelius hatte ihm nie einen Anlass gegeben, an diesem Vertrauen zu zweifeln.
    Bis heute.
    Seine Erinnerungen an die vergangene Nacht mochten nur Schemen sein. Aber eines wusste Jonathan ohne den Hauch eines Zweifels: Sein Vater hatte ihn belogen. Er kannte diese fremde Frau. Und die Tatsache, dass Jonathan sie gesehen hatte, jagte ihm schreckliche Angst ein. Warum nur? Wer war sie? Und was wollte sie von ihm? Freiwillig würde sein Vater ihm keine Antwort geben, so viel war klar. Es musste einen anderen Weg geben. Einen Beweis, dass er nicht geträumt hatte.
    In diesem Augenblick erinnerte er sich an das Messer mit der Klinge aus Glas, das die Fremde auf dem Kopfkissen seiner Mutter hinterlassen hatte. Cornelius hatte es nicht bemerkt, sonst wäre er auf Jonathans Fragen vorbereitet gewesen. Wenn es existierte, war das der Beweis, dass die Fremde keine Ausgeburt seiner Fantasie war. In diesem Fall würde sich sein Vater eine Menge unangenehmer Fragen gefallen lassen müssen.

Zweites Kapitel
Das gläserne Messer
    Jonathan stürmte ins Schlafzimmer seiner Eltern. Das alte Himmelbett mit den Moskitonetzvorhängen war leer, von seiner Mutter nichts zu sehen. Er warf die Kissen zur Seite, durchwühlte die Decken, steckte seinen Kopf unter das Bettgestell und seine
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