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John Sincalir - 0973 - Der verhexte Blutwald (1 of 2)

John Sincalir - 0973 - Der verhexte Blutwald (1 of 2)

Titel: John Sincalir - 0973 - Der verhexte Blutwald (1 of 2)
Autoren: Jason Dark
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aber auch dort tat sich nichts. Es blieb so wie immer. Aus Ästen und Zweigen spannte sich das Dach, das sich mit den anderen Kronen der Bäume verband.
    Und trotzdem war der Wald anders. Auf mich wirkte er wie ein Gebilde, das zwei Gesichter hatte, aber den Menschen nur das eine zeigte. Das zweite blieb versteckt und kam erst dann zum Vorschein, wenn es gerufen wurde.
    Auch Suko hatte seine Blicke skeptisch in die Höhe wandern lassen.
    Kinny beobachtete uns. Die Hand mit der Säge hatte er gesenkt. »Na, was denken Sie?« fragte er.
    Mein Freund hob die Schultern. »Wenn ich ehrlich sein soll, sieht alles normal aus.«
    »Hm. Und was ist mit Ihnen, Mr. Sinclair?«
    »Ich schließe mich meinem Kollegen an. Bis auf eine Kleinigkeit.« Ich nahm mir Zeit und schaute in das angespannte Gesicht des Doug Kinny.
    »Es ist der Geruch, der mich irritiert. Oder täusche ich mich da? Nehmen Sie ihn nicht auch wahr?«
    »Wen meinen Sie denn?«
    »Eben was ich sagte. Es riecht fremd. Nicht so wie in einem normalen Wald, denke ich.«
    Kinny runzelte die Stirn. »Das kann schon sein«, gab er zu. »Wo Bäume schreien, werden sie ihre Angst ausschwitzen. So zumindest sehe ich das.«
    Ich wiegelte ab. »Noch haben wir das Schreien nicht gehört.«
    »Keine Sorge, das werden Sie noch.«
    »Okay, dann mal los!«
    Kinny wartete noch. »Haben Sie starke Nerven?«
    »Bis heute konnten wir uns darüber nicht beklagen«, erklärte Suko.
    »Die brauchen Sie auch.« Er zog ein verbissenes Gesicht, hob die Säge an und drückte auf den Starter. Es war keine dieser lauten Motorsägen, deren Geräusche oft wie das Husten eines Monstrums die Wälder durchwehte. Sie summte mehr, aber es steckte schon Power hinter ihr.
    Und Kinny sah nicht so aus wie ein Mann, der ein derartiges Instrument nicht beherrschte.
    Er ging auf den ersten Baum zu. Wir wußten nicht, ob er ihn willkürlich ausgesucht hatte oder genau darüber Bescheid wußte, daß dieser Baum schreien oder klagen würde. Wir jedenfalls wollten uns überraschen lassen.
    Da das Wurzelwerk nicht aus dem Boden hervorwuchs, hatte Kinny auch dicht vor dem Baum einen guten Stand. Er hielt die Säge mit beiden Händen fest und drehte sich ein wenig nach links, um so den besten Winkel zu seinem Anschnitt zu bekommen.
    Das Instrument zitterte leicht in seinen Händen. Wir sahen Kinny im Profil, sein Gesicht wirkte hölzern wie die Baumstämme in seiner Nähe.
    Er redete nicht mehr. Er setzte die Säge schräg an und schnitt ungefähr in seiner eigenen Kopfhöhe in die Rinde hinein, die dem Blatt keinen Widerstand entgegensetzen konnte. Weich wie Butter wurde sie. Rinde und Splitter wirbelten zu allen Seiten hin weg, während Kinny seine Säge eisern festhielt und sie sich gierig in den Stamm hineinfraß, bei dem bereits das helle Holz zu sehen war.
    Für einen Moment dachte ich daran, das Gebein eines Menschen zu sehen. Auch die Geräusche blieben normal. Was immer wir von den schreienden Bäumen gehört hatten, es traf einfach nicht zu. Hier regierte nur die Säge und die zahlreichen Splitter sowie der Holzstaub, der Doug Kinny wie ein Mückenschwarm umgab.
    Sie fraß sich tiefer, immer tiefer. Der harte Stahl schnitt hinein in das Leben des Baumes, als wollte er ihm nicht nur dies rauben, sondern die Seele gleich mit.
    Wir waren nicht an unserem Platz stehengeblieben, sondern näher an Kinny herangegangen. Allerdings nicht so nah, daß uns der Holzstaub und die Splitter trafen.
    Eigentlich hätte Kinny seine Augen durch eine Brille schützen müssen.
    Er tat es nicht und arbeitete verbissen weiter. Von irgendwelchen Schreien war nichts zu hören, nur disharmonische Musik der Säge malträtierte unsere Ohren.
    Doug Kinny konnte nicht zufrieden sein. Er bewies es uns auch, denn er ließ das Werkzeug sinken. Um sich besser verständigen zu können, stellte er sie hin, ging einen Schritt zurück, blieb stehen, und wischte mit dem Handrücken den Schweiß von seiner Stirn.
    Wir hielten uns zurück, weil wir ihn nicht bloßstellen wollten. Er sollte den ersten Kommentar geben.
    Dabei schauten wir zu, wie die letzten Splitter und Holzstaubreste zu Boden sanken. Der Blick auf die Baumwunde war frei. Sie sah aus wie ein schiefes Maul. An den Seiten befand sich noch die dunkle Rinde, in der Mitte aber schimmerte das helle Holz.
    Kinny schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht«, flüsterte er. »Dieser Baum hätte schreien müssen.«
    »Vielleicht war es der falsche«, sagte ich.
    Es war nicht böse
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