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John Corey 03 - Nachtflug

John Corey 03 - Nachtflug

Titel: John Corey 03 - Nachtflug
Autoren: Nelson DeMille
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vom Meer her. Manchmal ist ein bisschen Natur nicht übel.
    Wir gingen zu dem offenen Zelt, in dem sich rund dreihundert Leute versammelt hatten. Ich bin von Berufs wegen schon bei zu vielen Gedenkgottesdiensten und Beerdigungen gewesen und gehe nicht freiwillig hin, wenn ich nicht muss. Aber hier war ich nun.
    Kate sagte: »Die meisten Familienmitglieder tragen Fotos ihrer toten Angehörigen. Aber auch wenn es nicht so wäre, würde man sie erkennen.« Sie nahm meine Hand, und wir gingen zum Zelt. »Sie sind nicht hier, um mit dieser Sache fertig zu werden«, sagte sie. »Mit so was wird man nicht fertig. Sie sind hier, um einander beizustehen und zu trösten. Um ihr Leid zu teilen.«
    Jemand reichte uns ein Programm. Es waren keine Stühle mehr übrig, deshalb stellten wir uns an die dem Ozean zugewandte offene Längsseite des Zeltes.
    Ziemlich genau gegenüber dieser Stelle, etwa acht Meilen weiter draußen, war eine riesige Passagiermaschine explodiert und ins Meer gestürzt. Hinterher waren noch wochenlang Flugzeugtrümmer und persönliche Habseligkeiten an diesen Strand gespült worden. Manche Leute sagten, auch Körperteile wären angespült worden, aber darüber hatten die Medien nichts berichtet.
    Ich entsann mich noch, dass ich seinerzeit gedacht hatte, dies sei das erste amerikanische Flugzeug, das von Feindeshand innerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten zerstört worden war. Und dass es außerdem das zweite Attentat ausländischer Terroristen auf amerikanischem Boden war - das erste war der Bombenanschlag auf den Nordturm des World Trade Center im Februar 1993.
    Und dann, als die Tage, Wochen und Monate verstrichen, setzte sich allmählich eine andere Erklärung für den Absturz durch: technischer Defekt.
    Niemand glaubte es, aber alle wollten daran glauben. Ich glaubte es und glaubte es doch nicht.
    Ich schaute hinaus zum Horizont und versuchte mir vorzustellen, was dieser Schweif gewesen war, den so viele Leute auf das Flugzeug hatten zuschießen sehen, kurz bevor es explodiert war. Ich habe keine Ahnung, was sie sahen, aber ich weiß, dass man ihnen sagte, sie hätten gar nichts gesehen.
    Ein Jammer, dachte ich, dass niemand diesen kurzen Moment auf Film gebannt hat.

3
    Ich war, wie gesagt, schon bei vielen Beerdigungen und Gedenkgottesdiensten gewesen, aber über dieser Feierstunde für die 230 toten Männer, Frauen und Kinder hing nicht nur der Dunsthauch des Todes, sondern auch eine lastende Ungewissheit, die unausgesprochene Frage, was vor fünf Jahren tatsächlich zum Absturz dieses Flugzeuges geführt hatte.
    Die erste Ansprache hielt eine Frau, die laut Programm als Geistliche an einer interkonfessionellen Kapelle am Kennedy Airport tätig war. Sie versicherte den Freunden und Angehörigen, dass sie ihr Leben getrost in vollen Zügen auskosten dürften, auch wenn es ihre Lieben nicht könnten.
    Danach sprachen ein paar andere Leute, und in der Ferne hörte ich die Wellen, die sich am Strand brachen.
    Geistliche unterschiedlichen Glaubens sprachen Gebete, die Leute weinten, und Kate drückte meine Hand. Ich warf ihr einen kurzen Blick zu und sah, dass ihr Tränen über die Wangen liefen.
    Ein Rabbi, der von den Toten sprach, sagte: »Und nach wie vor staunen wir, wie diese Menschen, die so viele Jahre tot sind, so lange Zeit so schön bleiben können.«
    Ein anderer Sprecher, ein Mann, der seine Frau und seinen Sohn verloren hatte, sprach über die toten Kinder, Frauen und Männer, die Familien, die gemeinsam geflogen waren, die Brüder und Schwestern, Väter und Mütter, die meisten davon einander fremd, aber jetzt für alle Ewigkeit im Himmel miteinander vereint.
    Der letzte Sprecher, ein protestantischer Pfarrer, stimmte den 23. Psalm an, in den alle einstimmten. »Und ob ich schon wanderte im finstern Tal ...“
    Dudelsackbläser der Polizei, alle in Kilts, spielten »Amazing Grace«, und damit endete die Gedenkfeier im Zelt.
    Danach gingen alle, weil sie das schon seit Jahren so machten, ohne weitere Anweisung hinunter zum Strand.
    Kate und ich gingen mit ihnen.
    Am Meeressaum zündeten die Angehörigen der Opfer eine Kerze für jeden der 230 Toten an, bis sich die in der sanften Brise flackernden Lichter den ganzen Strand entlang erstreckten.
    Um 20.31 Uhr, dem Zeitpunkt des Absturzes, reichten sich die Angehörigen entlang des Strandes die Hände.
    Ein Hubschrauber der Küstenwache richtete seinen Suchscheinwerfer auf den Ozean, und von einem Kutter der Küstenwache warfen die
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