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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)
Autoren: Rainald Goetz
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er, in den Bereich käme, dass man in solche Verhältnisse wie hier umsiedeln könnte, und kam zu dem Ergebnis, dass diese Möglichkeit nicht in unendlicher Ferne liegen müsste. »Ganz und gar nicht«, dachte Holtrop, »nein.« Der Gedanke breitete sich mit großer Ruhe in ihm aus. Nach einiger Zeit stand er auf und ging wieder zurück zu den anderen Leuten, durch den jetzt mit Fackeln illuminierten abendlichen Park und hoch zum Schloss, um dort etwas zu essen.

XIII
    2005 . Nach dem Sommerfest bei Gabriele Heintzen war Holtrop mit einer ganz neuen Begeisterung für GELD an seine Arbeit zurückgegangen. Geld in großen und sehr großen Mengen war für ihn jetzt auf die sinnlich sehr konkrete Vorstellung von Grundbesitz in großen und am besten riesengroßen Ausmaßen bezogen. Er hatte außerdem auch einige Fragen an Mack, die sein Geld und die Verhältnisse in der Veerendonckbank betrafen. Mack erklärte, der Einwand gegen die Veerendonckbank, der verschiedentlich erhoben werde, Bargeldverkehr sei nicht möglich, sei Unsinn und könne von ihm an dieser Stelle zurückgewiesen werden. »Blödsinn«, sagte Mack, »Bargeldverkehr ist möglich.« Mack beschrieb die Prozedur folgendermaßen: Das Bargeld wird in den Filialen der Bank entgegengenommen, kann dort in Buchgeld umgewandelt einem Konto gutgeschrieben werden oder nach Schweizer Art direkt bar in die Tresorräume der Bank verbracht. Auch für die Auszahlung von jeder Art von Geld an den Kunden, speziell von zuvor als Buchgeld noch nicht fixierten Bargeldern, hält die Bank an allen Standorten in dafür eigens eingerichteten Liquiditätsschleusen anonymisiert hochprozentig verzinste Mittel vor. In der Münchner Filiale der Veerendonckbank am Promenadeplatz war die entsprechend gehebelte Geldpumpe in die Zwischenwandkammer zwischen den Beratungszimmern Zirbelstube und Hanseat im zweiten Stock eingebaut. Der von Mack beauftragte Bote kam in der ersten Hälfte des Jahres einmal im Monat, seit Mitte des Jahres alle zwei Wochen via Luxemburg mit dem Auto nach München und brachte die in London von Holtrop zuvor generierten und nach Brüssel transferierten Übersummen in kleinen Tranchen zu je drei- bis vierhunderttausend Euro zuerst in eines der beiden Besprechungszimmer. Dort quittierte der bei Veerendonck München für Holtrop zuständige Privatbeamte dem Boten die Summe und verließ das Zimmer. In der Zirbelstube auf der rechten Seite, im Zimmer Hanseat links ging dann die in die Lamperie eingeschnittene Türe auf, durch die der Geldbote die Kammer dahinter betrat. Von dort aus führte eine elektronisch gesteuerte Metallschachtvorrichtung, die Materie im Raum durch Wände hindurch bewegen konnte, direkt in die Tresoranlage im Keller der Bank. Hier empfing der diensthabende Kellerbeamte den Boten und brachte ihn durch zwei mit Stahlbolzen und Zahlschloßsystem steuerabweisend gesicherte Feuertüren in den eigentlichen Barraum, wo das Geld auf den Tisch gelegt und, nachdem der Bote den Raum verlassen hatte, normalerweise in den dahinter eingezogenen Fluchtgang mit Rücklauftreppe zur Garage, vorschriftsgemäß automatisch zum Verschwinden gebracht wurde. In umgekehrter Richtung und auf gleiche Weise wurde das Geld, wenn benötigt, wieder rematerialisiert. Holtrop war von diesen Darstellungen, was mit den von ihm erwirtschafteten Geldern und Gewinnen konkret geschehe, weniger beruhigt als vielmehr zusätzlich erregt und fühlte sich dazu veranlasst, möglichst viel von diesen auf diese Art sicher verwahrten Geldmitteln zusätzlich zu generieren, solange das so besonders gut und leicht möglich war wie durch seinen international ausgerichteten Job bei der Cain Corps Inc. Holtrop war also, worüber er sich freute, von Mack genau so angefixt worden, wie Mack das bei allen seinen Kunden machte, um sie nach seinen Wünschen steuern zu können, denn je mehr Geld Macks Kunden heranschafften, umso mehr davon blieb natürlich bei Mack hängen, wie vertraglich vereinbart. Im Spätsommer nahm Mack Holtrop mit nach Sylt, wo ein zweitägiges Poloturnier stattfand. »Man muss die Reichen zueinanderhetzen«, sagte Mack zu Holtrop, »das befördert ihre Gier.«Holtrop lachte über diesen Scherz von Mack, ohne darüber nachzudenken, selbstverständlich auch ohne sich selbst davon gemeint zu fühlen. Denn da war es wie mit den Toten auch: die Reichen sind immer die anderen. Das Poloturnier war eine Veranstaltung der Veerendonckbankchefs. Die traditionsreiche Bank wurde seit einigen
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