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Joe's Diary: Tagebucheinträge des Serienkillers aus »Opferzeit« (German Edition)

Joe's Diary: Tagebucheinträge des Serienkillers aus »Opferzeit« (German Edition)

Titel: Joe's Diary: Tagebucheinträge des Serienkillers aus »Opferzeit« (German Edition)
Autoren: Paul Cleave
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»wir« dann von den anderen Gefangenen schlecht behandelt werden – und nicht nur ich. Die Verhandlung ist für Juni nächsten Jahres angesetzt. Wie soll ich ein Jahr Wartezeit im Knast aushalten? Ich glaube nicht, dass ich das durchstehe. Wahrscheinlich werde ich noch vor Ende der Woche wieder unter ständiger Beobachtung stehen.
    Oder gleich in die Klapse einfahren.
    Der Typ in der Zelle neben mir heißt Santa Suit Kenny. Er war mal in einer Band namens Tampon of Lamb, aber ich weiß beim besten Willen nicht, was dieser Name bedeuten soll. Jedenfalls hatten sie vor ein paar Jahren einen großen Hit mit dem Titel »Muff punching the Queen«. Wir haben uns ein paar Mal unterhalten, und er scheint ein ganz netter Kerl zu sein – für einen Kinderschänder jedenfalls. Ich habe ihn gefragt, wie viele Leute in diesem Zellenblock gestorben sind, und er hat gesagt, dass es jedes Jahr so ein, zwei Typen erwischt. Ich habe ihn gefragt, ob er sie noch sieht, nachdem sie gestorben sind, und er hat gefragt, wie ich das meine, und ich sagte so was wie »du weißt schon, wenn es einen Ort gibt, an dem es spukt, dann ja wohl hier«, obwohl ich es wahrscheinlich nicht wortwörtlich so gesagt habe. Er hat jedoch wortwörtlich »Wovon zum Henker redest du?« gefragt. Also hab ich ihm von dem Geist erzählt – wieso sollten mich die Leute auch nicht für verrückt halten? Verrückt zu spielen wird im kommenden Jahr schließlich meine Hauptbeschäftigung sein. Er hat gesagt, dass er nicht an Geister glaubt und auch keine gesehen hat, außer mal als Kind, aber das hat er wahrscheinlich nur geträumt.
    Ich hab noch ein paar andere Leute kennengelernt. Die meisten sind Pädophile. Sie haben uns zusammengesteckt, weil wir nicht unbedingt die beliebtesten Insassen sind. Außerdem gibt es hier ein paar Wachen, die mir bestimmt noch Ärger machen werden. So Typen, denen man ansieht, wie gerne sie anderen Leuten wehtun – mir zum Beispiel.
    Ich glaube nicht, dass ich hier drin überlebe. Selbst jetzt, während ich das Tagebuch schreibe, steht der Geist in der Zellenecke und beobachtet mich, und wenn ich mich zu ihm umdrehe, bewegt er sich, bleibt immer zu meiner Linken, als würde ihn die Narbe auf meinem Gesicht ganz besonders faszinieren.
    Was will der Geist? Wahrscheinlich kann mir mein Anwalt da helfen. Nur ein paar Minuten mit meinem Anwalt, dann wird der Geist schon verschwinden. Wer zum Henker verbringt schließlich freiwillig Zeit mit einem Anwalt? Da hat man doch Besseres zu tun – egal ob man lebendig oder tot ist.

4 Liebes Tagebuch …
    4
    Liebes Tagebuch …
    ich bin jetzt seit über einem halben Jahr im Knast, und ich weiß nicht, was mich zuerst umbringen wird – ein Mitgefangener, ich mich selbst oder die Langeweile. In ein paar Tagen ist Weihnachten. Ich habe dem Weihnachtsmann einen Brief geschrieben – wenn es Geister gibt, könnte es ja auch den Weihnachtsmann geben, oder? Das hoffe ich zumindest – ich habe ihn nämlich gebeten, mich hier rauszuholen.
    Mein Anwalt ist verschwunden. Nicht nur, dass er mich nicht mehr im Gefängnis besucht, er ist einfach nicht mehr da. In den Nachrichten heißt es, dass er Todesdrohungen erhielt, weil er mich verteidigte. Mein zweiter Anwalt ist nicht verschwunden – er wurde tot aufgefunden. Ihm haben sie ebenfalls gedroht. Also bin ich jetzt bei meinem dritten Anwalt. Das ist okay, die ersten beiden hielten mich sowieso für schuldig. Jetzt kann ich noch mal erklären, dass ich nichts getan habe und das eigentliche Opfer bin.
    Freunde habe ich mir hier nicht gemacht, soweit würde ich nicht gehen, aber immerhin kann ich mich mit ein paar Leuten unterhalten. Komischen Leuten. Die meiste Zeit verbringe ich mit Weihnachtsmann-Kenny. Er behauptet, wir wären »BFs«. Hat jedenfalls ein anderer Gefangener behauptet. Ich wusste erst nicht, wofür BF steht – ich dachte schon, das heißt Blasefreunde , denn so was kommt hier gar nicht so selten vor, da muss man aufpassen. Eigentlich heißt es Beste Freunde. Klingt aber so oder so ziemlich schwul.
    Meine Mutter hat mich besucht. Sie sagt, dass sie jetzt einen Freund namens Walt hat. Walt kennt sie noch von früher, hat ihn aber bis letztes Jahr aus den Augen verloren. Walt ist ein so hässliches Accessoire, dass meine Mutter vergleichsweise gut aussieht, wenn sie ihn am Arm hat. Hoffentlich komme ich nicht eines Tages nach Hause und muss erfahren, dass sie ihn geheiratet hat. Über den Prozess reden wir nicht –
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