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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Autoren: Michael Ende
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los. Die gute alte Emma fühlte sich jetzt wieder viel wohler als auf dem Meer, denn das Wasser war natürlich doch nicht so ganz ihr Element.
    Nach kurzer Zeit hatten sie eine breite Straße erreicht, auf der sie bequem und schnell dahinrollen konnten. Selbstverständlich hüteten sie sich, über eine der kleinen Brücken aus Porzellan zu fahren, weil Porzellan, wie jeder weiß, sehr zerbrechlich ist und es nicht besonders gut verträgt, wenn man mit einer Lokomotive drüber fährt.
    Und es war ihr Glück, daß sie nicht nach rechts oder links abbogen, denn die Straße führte direkt nach Fing, der Hauptstadt von Mandala.
    Erst fuhren sie nur immer auf den Horizont zu, über dem sich das rot und weiß gestreifte Gebirge erhob. Aber ungefähr nach fünfeinhalb Stunden Fahrt erblickte Jim, der auf das Dach der Lokomotive geklettert war, um Ausschau zu halten, in der Ferne etwas, was aussah wie Tausende und aber Tausende von großen Zelten. Alle diese Zelte glänzten in der Sonne wie Metall.
    Jim rief zu Lukas hinunter, was er gesehen hatte, und Lukas antwortete: »Das sind die goldenen Dächer von Fing. Wir sind also auf dem richtigen Weg.«
    Und nach einer weiteren halben Stunde hatten sie die Stadt erreicht.

Sechstes Kapitel
    in welchem ein dicker gelber Kopf Schwierigkeiten macht

    In Fing gab es ungeheuer viele Menschen, die alle Mandalanier waren. Jim, der noch niemals so viele Leute auf einmal gesehen hatte, wurde es ganz unheimlich zumut. Alle hatten Mandelaugen und Zöpfe und trugen große runde Hüte auf den Köpfen.
    Jeder Mandalanier hielt einen anderen Mandalanier an der Hand, der etwas kleiner war. Und der hielt wieder einen an der Hand, der noch kleiner war. Und so ging es fort bis hinab zum Kleinsten, der nur etwa die Größe einer Erbse hatte. Ob der nun auch einen noch kleineren Mandalanier an der Hand hielt, konnte Jim nicht sehen, denn dazu hätte er ein Vergrößerungsglas gebraucht.
    Das waren die Mandalanier mit ihren Kindern und Kindeskindern. (Alle Mandalanier haben sehr viele Kinder und Kindeskinder.) Und alle wuselten und wimmelten auf der Straße durcheinander und schnatterten und gestikulierten, daß es Jim ganz wirbelig im Kopf wurde.
    Die Stadt bestand aus vielen tausend Häusern, und jedes Haus hatte viele, viele Stockwerke, und jedes Stockwerk hatte ein eigenes, vorspringendes Dach, das wie ein Regenschirm aussah und aus Gold war.
    Aus jedem Fenster hingen Fähnchen und Lampions, und in den Seitengäßchen waren Hunderte von Wäscheleinen von Haus zu Haus gespannt. An denen trockneten die Leute ihr e viele Wäsche. Denn die Mandalanier sind ein sehr sauberes Volk. Sie ziehen niemals etwas Schmutziges an, und selbst der kleinste Mandalanier, der nur so groß ist wie eine Erbse, wäscht seine Wäsche jeden Tag und hängt sie an eine Leine, nicht dicker als ein Zwirnsfaden.
    Emma mußte sich sehr vorsichtig einen Weg durch die Menschenmenge suchen, damit sie niemand totfuhr. Sie war schrecklich aufgeregt, das konnte man an ihrem Keuchen hören. Ununterbrochen tutete und pfiff sie, um die Kinder und Kindeskinder aus dem Weg zu scheuchen. Sie war schon völlig außer Atem.
    Endlich hatten sie den Hauptplatz vor dem kaiserlichen Palast erreicht. Lukas zog an einem Hebel. Emma blieb stehen und ließ mit einem ungeheuren Seufzer der Erleichterung den Dampf ab. Die Mandalanier stoben vor Schreck nach allen Seiten auseinander. Sie hatten noch nie eine Lokomotive gesehen und glaubten, Emma wäre ein Ungeheuer, das seinen heißen Atem auf sie blies, um sie zu töten und sie dann zum Frühstück zu essen. Lukas zündete sich gemächlich eine neue Pfeife an und sagte zu Jim:
    »So, mein Junge, komm mit! Jetzt wollen wir mal sehen, ob der Kaiser von Mandala zu Hause ist.«
    Sie stiegen aus und gingen auf den Palast zu. Um die Eingangspforte zu erreichen, mußten sie erst neunundneunzig Treppenstufen aus Silber hinaufsteigen. Das Tor war zehn Meter hoch und sechseinhalb Meter breit und ganz und gar aus kostbar geschnitztem Ebenholz. Das ist ein kohlpechrabenschwarzes Holz, von dem es auf der ganzen Welt nur hundertzwei Zentner und sieben Gramm gibt. So selten ist es. Gut die Hälfte davon war für den Bau dieser gewaltigen Tür verarbeitet worden.
    Neben dem Tor war ein Schild aus Elfenbein angebracht, auf dem in goldenen Lettern stand:
    KAISER VON MANDALA
    Und darunter befand sich ein Klingelknopf aus einem einzigen großen Diamanten.
    »Donnerwetter!« sagte Lukas der Lokomotivführer bewundernd,
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