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JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens

Titel: JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens
Autoren: Werner Tiki Kuestenmacher Werner Tiki K stenmacher
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zur
Arbeit in den Weinberg. Vormittags um 9 sah er noch
welche nichtstuend auf dem Marktplatz herumstehen
und sagte: »Geht auch ihr arbeiten in den Weinberg.
Ich werde euch gerecht bezahlen.« Und sie gingen hin.
Um 12 Uhr mittags, um 3 Uhr am Nachmittag und
noch einmal um 6 Uhr am Abend tat er dasselbe.
Um 8 Uhr abends fand er immer noch welche am
    Markt und sagte: »Warum steht ihr den ganzen Tag
untätig herum?« Sie sprachen: »Es hat uns niemand
eingestellt.« Da stellte er sie auch ein und schickte sie
zur Arbeit in den Weinberg.
Als es dunkel wurde, sprach der Herr des Weinbergs
zu seinem Verwalter: »Ruf die Arbeiter und gib ihnen
den Lohn. Fang bei den letzten an, und dann bis zu den
ersten.« Da kamen, die um 8 Uhr abends eingestellt
wurden, und bekamen je einen Silbergroschen. Und als
die ersten an die Reihe kamen, dachten sie, sie würden
mehr bekommen; aber auch sie erhielten jeder einen
Silbergroschen. Da murrten sie gegen den Hausherrn:
»Die Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du
hast sie uns gleichgestellt, die wir doch den ganzen Tag
in der Hitze gearbeitet haben.« Da sagte der Herr zu
einem von ihnen: »Mein Freund, ich tue dir doch nicht
unrecht. Du warst doch mit einem Silbergroschen
einverstanden. Nimm, was dir gehört, und geh!
Ich will den Letzten genauso viel geben wie dir. Habe
ich nicht die Macht, mit dem, was mir gehört, zu tun,
was ich will? Bist du sauer darüber, dass ich so gütig
bin? Die Ersten werden die Letzten und die Letzten
die Ersten sein.«
    Matthäus 20,1-16
    Alle erhalten den gleichen Lohn. Das ist für Menschen ungerecht. Für Gott aber ist es gerecht. Er gibt jedem, was er für diesen einen Tag braucht. Mit den Ersten wird ein fairer Lohn dafür ausgehandelt. Die anderen werden - jeder in unterschiedlichem Maße - beschenkt. Jesus quantifiziert nicht. Er lässt sich nicht ein auf Steuerdiskussionen oder Wirtschaftsdebatten. Seine Gerechtigkeit ist unserem Feilschen und Vergleichen himmelweit überlegen. Seine Gerechtigkeit ist Reichtum und Fülle, grenzenloses Sich-Verschenken, etwas ganz anderes als unser Angeben und Beneiden, unser Nachrechnen und Verteilen, unser Verschwenden und Geizen. Was er uns gibt, können wir nie bezahlen, nie gutmachen, aber auch nie zerstören. Alles, was wir tun können, ist danken.
    Der amerikanische Philosoph Ken Wilber ist überzeugt, dass sich politische Parteien und Programme vor allem durch ein Merkmal unterscheiden lassen: durch ihre Antwort auf die Frage, warum es Arme gibt. Die einen sagen: Arme sind Opfer der Verhältnisse, ihrer sozialen Herkunft, ihrer Gene, der Unterdrückung durch andere. Sie haben keine Chance. Sie brauchen Hilfe von außen. Die anderen sagen: Arme sind schwache Menschen, sie entwickeln zu wenig Zuversicht, sie schieben Verantwortung auf andere, sie erliegen ihren Versuchungen. Dabei könnten es alle schaffen. Sie brauchen Ermutigung, ihre Kraft kommt von innen.
    Wer hat recht? Jeder kann mit anrührenden Einzelfällen, treffsicheren Analysen und aufwendigen Statistiken seine Meinung unterfüttern. Die beiden Systeme werden ewig miteinander streiten. Immer wieder sieht es so aus, als würde eines gewinnen. Nach dem Ende der großen sozialistischen Systeme und dem Zerfall des Sowjetreichs dachte man, das kapitalistische Modell hätte gesiegt. Zurzeit aber gehen die Befürchtungen in die entgegengesetzte Richtung: Die internationalen Finanzmärkte erweisen sich als gigantisches Spielkasino, das willkürlich Preise fallen und vor allem steigen lässt, wodurch Menschen ihren Besitz und sogar ihr Leben verlieren.

    Diese beiden politischen Grundideen - Opfer der Verhältnisse oder Opfer der eigenen Schwäche - finden sich auch im Inneren jedes Menschen: Mal bin ich Opfer, völlig am Boden zerstört von ungerechten, riesigen, globalen Machtstrukturen, gegen die ich ein winziges Krümelchen bin. Oder ich bin erleichtert, weil ich mir angesichts solch übermächtiger Gegner keine Vorwürfe machen muss. Dann wieder könnte ich platzen vor Optimismus, was noch alles in mir steckt und welches enorme Glück auf mich eines Tages noch kommen könnte. Oder ich bin verzweifelt über meine Unfähigkeit, die angebotenen Möglichkeiten beim Schopf zu packen.
    Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg sitzt quer zu allen politischen Richtungen und zu allen Widersprüchen in unserem Inneren. Es lenkt den Blick auf die kleine und doch unendlich wertvolle Münze, die wir jeden Tag erhalten
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