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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret
Autoren: Alois Prinz
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die Aufschrift: »Wir müssen leider draußen bleiben.« Hitler soll getobt haben, als er von den Neuigkeiten aus Barmen unterrichtet wurde.
    Damit waren die Maßstäbe wieder einigermaßen zurechtgerückt in der Evangelischen Kirche. Aus dieser Barmer Erklärung wuchs die Bekennende Kirche , die später den Anspruch erhob, die »rechtmäßige Evangelische Kirche Deutschlands« zu sein. Viel ausgerichtet hat sie nicht, weil sie weitgehend unpolitisch blieb, mehr auf ihren Selbsterhalt bedacht war als darauf, die politische Großwetterlage zu ändern. Dass sie klargestellt hatte, dass in der KircheGott der Herr sei und darum kein anderer, damit waren die meisten zufrieden. Wer aber außerhalb der Kirche, also in der Welt, in Deutschland, Herr sein solle, darüber konnten sie sich nicht einigen. Aber wenigstens war die Existenz der Bekennenden Kirche etwas, woran die Kirche nach dem Krieg anknüpfen konnte. Sie konnte sagen: Nicht alle waren Nazis, nicht alle hatten versagt, nicht alle hatten mitgemacht.
    Als Bonhoeffers von vornherein auf maximal zwei Jahre beschränkte Zeit in England vorbei war, wollte er eigentlich nach Indien, Gandhi kennenlernen, von dem er so viel gehört und gelesen hatte. Ob sich von ihm etwas lernen ließe für die aktuelle Lage in Deutschland? Daraus wurde nichts. Seine Bekennende Kirche brauchte ihn in Deutschland, um an der »Erneuerung des Pfarrerstandes« mitzuarbeiten. Er sollte ein Predigerseminar leiten.
    In Predigerseminare werden Theologen geschickt, die ihr Examen hinter sich und ihre erste praktische Bewährung in einer Gemeinde vor sich haben. Es ist also eine Vorbereitung auf den Pfarrerberuf. Bonhoeffer wurde nach Finkenwalde bei Stettin in Pommern geschickt. Dort sollte er Pfarrer fit machen für ihren Dienst in Gemeinden der Bekennenden Kirche. Das war eine Aufgabe nach seinem Geschmack.
    Der junge Direktor und seine jungen Theologen bezogen ein altes Gutshaus, in dem es praktisch an allem fehlte, was notwendig war, ob Betten, Bücher oder Brot. Sie bettelten sich das Fehlende zusammen und Bonhoeffer ließ einfach seine umfangreiche Privatbibliothek aus Berlin nach Finkenwalde kommen, und seinen Bechstein-Flügel gleich dazu.
    Kaum hatten die Seminare begonnen, wurden sie verboten. Im Mai 1935 zogen die ersten Seminaristen ein, im Dezember 1935 erließ die Regierung eine Verordnung »zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Evangelischen Kirche«. Sie erklärte alle »kirchenregimentlichen und kirchenbehördlichen Befugnisse durch kirchliche Vereinigungen oder Gruppen« als unzulässig.
    Bonhoeffer rief daraufhin seine Kandidaten zusammen und stellte ihnen angesichts der neuen Lage frei, abzureisen. Alle blieben. Sie machten einfach weiter. Immerhin: Eine kleine Gruppe von Pfarrern gehorchte Gott mehr als den Menschen. Zunächst hatte das keine Folgen, denn es dauerte rund zwei Jahre, bis die Behörden vom illegalen Treiben in Finkenwalde Wind bekamen. Dann aber erschien die Gestapo, um das Haus zu versiegeln.
    Bonhoeffer fand trotzdem noch für zweieinhalb weitere Jahre eine Form der Fortsetzung des Predigerseminars: die des »Sammelvikariates«. Die Zuweisung von Kandidaten ins Vikariat bei Gemeindepfarrern – dem Berufseinstieg – war üblich und unbestritten vonseiten der Amtskirche. Also suchte Bonhoeffer Pfarrer, die bereit waren, Bekenntnis-Vikare zu nehmen. Die Woche über sollten sie in einem leeren Pfarrhaus zusammenkommen und den Lehrbetrieb mit Bonhoeffer fortsetzen. Man fand solche Pfarrer in den benachbarten Kreisen Köslin und Schlawe. Ihre Vorgesetzten deckten alles. Bonhoeffer fuhr nun je eine halbe Woche zum Unterricht nach Köslin und nach Groß-Schlönwitz bei Schlawe bzw. seit 1939 in ein Kleist’sches Forsthaus Sigurdshof in der Nähe.
    Das funktionierte, bis die Gestapo wiederkam. Im März 1940 versiegelte sie auch den Sigurdshof. Fünf Jahre Predigerseminar, fünf Jahre Finkenwalde waren nun zu Ende. Aber sie hatten sich gelohnt, nicht nur, weil demonstriert wurde, dass man als Kirche in der Diktatur Möglichkeiten hat zu widerstehen, sondern auch, weil Bonhoeffer in dieser Zeit etwas für die evangelische Kirche völlig Neues, weil Katholisches, ausprobiert hatte: Mit seinem Freund und späteren Biografen Eberhard Bethge und einigen weiteren Finkenwaldern hatte er eine Kommunität gegründet, deren
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