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Jerry Cotton - 0546 - Der Gefaehrte des Grauens

Jerry Cotton - 0546 - Der Gefaehrte des Grauens

Titel: Jerry Cotton - 0546 - Der Gefaehrte des Grauens
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ein Tramp, und ich roch wie ein Tramp. Ich besaß die ausdrückliche Genehmigung des Justizministeriums in Washington, in dieser Stadt wie ein Landstreicher herumzulaufen, denn in dieser Stadt, in New Haven, rund hundert Meilen nordöstlich von New York, waren sechs Frauen ermordet worden, zuletzt, vor zwei Wochen, eine gewisse braunhaarige Vera Gardner am Morgen nach ihrer Verlobung. Jedes Mittel, jede Tarnung mußte benutzt werden, diesen unheimlichen Mörder zu fassen. Das FBI unterstützte die State Police von Connecticut.
    Ich trabte auf eigene Faust durch die Hafenstadt. Tausende von Angehörigen der Marine bevölkerten den Hafen. Der Mörder konnte sich ebenso unter ihnen befinden wie unter dem Gesindel — Diebe, Schmuggler, Spieler, Rauschgifthändler —, das sich in einem Hafen mit derselben Sicherheit einfindet wie Ratten.
    Nach jener Nacht zwischen den Gewürzsäcken, betrat ich um neun Uhr »Number One«. Diesen schönen Namen trug eine Hafenkneipe, deren Boß irgendwann einmal unter dieser Bezeichnung als Catcher aufgetreten war. Vielleicht war er wirklich mal eine Spitzenkraft in diesem Geschäft gewesen. Inzwischen hatte das Bier »Number One« jedoch zu einem Fettkloß aufgeschwemmt. Zu jeder Tages- und Nachtzeit gab es bei ihm alles zu trinken, was mindestens dreißig Prozent Alkohol enthielt. Die Stauer stärkten sich bei ihm während ihrer Pausen. Die lichtscheuen Bewohner des Hafens nahmen ihren letzten Schluck bei ihm, bevor sie in ihre Löcher krochen; und die Sailors der Marine und der Handelsschiffe begannen ihre Landgänge bei »Number One«. Wer Glück hat, kann bei »Number One« schon um zehn Uhr morgens in eine prächtige Schlägerei geraten.
    Als ich mich an der Theke entlangschob, befanden sich zwei Dutzend Männer in »Number One«. An einem runden Tisch saßen vier Mariner in Uniform. Alle anderen Gäste waren zweideutige Gestalten. An der Theke standen sechs oder sieben Seeleute um einen breitschultrigen Mann in einem großkarierten Anzug, einem dunkelblauen Hemd und einer grellen Krawatte herum. Er riß Witze. Die Matrosen, deren Hautfarbe vom sommersprossengefleckten Weiß eines rothaarigen Iren bis zum tiefen Schwarz eines Negers reichte, lachten und tranken den Whisky des Großkarierten. Ohne Zweifel handelte es sich bei dem Mann um einen Schlepper, der seine Opfer anwärmte, bevor er sie an den Ort brachte, wo Spieler oder Mädchen ihnen die Heuer aus der Tasche holten.
    Ich stellte mich auch an die Theke und versuchte, »Number One« auf mich aufmerksam zu machen. Ich kam zum drittenmal in seine Kneipe, und ich hatte bei dem ehemaligen Catcher eine Angel ausgelegt. »Number One«, der wie ein wandelnder Berg hinter der Theke hantierte, beachtete mich nicht, aber der Schlepper sah mich sofort.
    »He, Tramp!« rief er. »Stinkst du so?« Ich grinste bescheiden und freundlich. »Keine Ahnung, Mister! Aber es ist mindestens drei Wochen her, daß ich eine Flasche Eau de Cologne in den Händen hatte, und ich habe mich nicht damit parfümiert, sondern sie ausgetrunken.«
    Die Sailors lachten, und das ärgerte ihn. Er schob zwei zur Seite und kam auf mich zu. Er sog die Luft ein und schüttelte sich. »Du riechst wie ein angebranntes Mittagessen.« Er stieß mir beide Hände so heftig vor die Brust, daß ich drei, vier Schritte zurücktaumelte. »Ich kann dich nicht riechen, Tramp. Halt Abstand!«
    In meiner Faust zuckte es, aber ich beherrschte, mich. Es paßte nicht in meine Rolle, mit gleicher Münze heimzuzahlen. Ich blieb an der äußersten Ecke der Theke stehen. Der Schlepper kehrte in den Kreis der Seeleute zurück und ließ sich von ihnen bewundernd die Schultern klopfen. Immerhin kümmerte sich jetzt »Number One« um mich. »Besser, du verschwindest«, knurrte er mit seinem heiseren Baß. »Wenn Harry Rod seinen Kunden zeigen will, wieviel Dampf in seiner Faust sitzt, kann es leicht sein, daß er dir die Rolle des Sandsackes zuschustert.«
    »Number One, du hast mir die Vermittlung an einen der Bosse dieser Stadt versprochen. Ich bin pleite. Ich brauche einen Job.«
    »Nichts habe ich versprochen«, knurrte er.
    »Ich hatte in letzter Zeit einiges Pech. Ich brauche einen neuen Start.«
    »Wer nimmt schon einen Tramp?«
    »Ich habe mehr auf dem Kasten, als du mir ansiehst.«
    Das Gesicht des Wirtes verbreiterte sich nach links und rechts um mindestens zehn Zoll, als er grinsend vier oder fünf schwarze Zahnstummel zeigte. »Noch jeder Tramp, der mich um ’nen Whisky
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