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Jenseits der Sehnsucht (German Edition)

Jenseits der Sehnsucht (German Edition)

Titel: Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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anpackte, und brachte erst einmal den Tee an den Tisch. »Wenn er früher in eine Prügelei verwickelt wurde, dann meist deshalb, weil irgendjemand über mich hergezogen hat. Es hat mich immer wahnsinnig geärgert, ich wollte mich selbst darum kümmern. Aber er war schon losgestürmt, noch bevor ich überhaupt die Möglichkeit dazu hatte. Und was meine Eltern betrifft … bis heute hat er kein einziges Mal den Muttertag vergessen.«
    »Den gibt es immer noch?«
    »Ja, natürlich.«
    »Cal.« Nachdenklich rührte sie in ihrem Tee. »Wie hast du dich dafür entschieden zu bleiben?«
    »Es gab keine Entscheidung. Entscheiden ist nicht das richtige Wort, weil es einen bewussten Vorgang beschreibt«, antwortete er. »Was ich damit sagen will, ist, ich konnte Libby einfach nicht verlassen. Aber ich habe nie aufgehört, an meine Eltern zu denken.«
    »Nun, ob du glaubtest, eine Wahl zu haben oder nicht, es muss trotzdem schwierig gewesen sein.«
    »Zurückzukehren war für mich keine wirkliche Alternative. Ich wusste ja nicht einmal, ob ich heil ankommen würde. Also habe ich das Schiff zurückgeschickt. Wenn es eine Möglichkeit gab, meine Familie wissen zu lassen, dass ich noch lebte, musste ich sie wahrnehmen.« Er legte seine Hand auf ihre Finger. »Bei J. T. ist es anders. Er weiß, dass er zurückkann. Wenn er es nicht täte, würde er unsere Eltern ohne Hoffnung zurücklassen. Und das kann er nicht.«
    »Nein, es wäre ihm unmöglich.« Sunny hob den Kopf. »Es muss schwer sein für dich.«
    »Es war das schönste Jahr meines Lebens.«
    »Aber die Umstellung, das Eingewöhnen, die Trennung …«
    »Und wenn ich noch fünf Jahrhunderte weiter zurückgereist wäre, es würde keine Rolle spielen. Solange ich Libby habe.«
    »Sie kann sich glücklich schätzen, dich an ihrer Seite zu wissen.«
    »Das sage ich ihr auch immer.« Er grinste, doch dann wurde er wieder ernst. »Er liebt dich, Sunny.«
    Etwas flackerte in ihren Augen auf, bevor sie den Blick senkte. »Hat er dir das gesagt?«
    »Ja. Aber er hätte es gar nicht zu tun brauchen. Ich habe es erkannt, als ich ihn zum ersten Mal deinen Namen aussprechen hörte. Ich glaube, ich will dir damit sagen, dass er noch nie für jemanden gefühlt hat, was er für dich empfindet.«
    »Wirst du mir helfen, Cal? Ich bin gegangen, bevor er wach war.« Sie presste die zitternden Lippen zusammen. »Ich kann mich nicht noch einmal von ihm verabschieden.«
    Libby stand an dem kleinen Bach und folgte dem unter dem Eis dahinfließenden Wasser mit dem Blick. Vor ihrem geistigen Auge sah sie die Stelle hier im Frühling, als das Wasser munter murmelnd über Steine gesprungen war, und hörte wieder das Gezwitscher der Vögel. Das Gras war damals grün und weich gewesen.
    Damals. Als Cal und sie hier an dieser Stelle die Zeitkapsel vergraben hatten. Und sich geliebt hatten. Damals war ihr das Herz gebrochen, als sie sich vorgestellt hatte, wie er Hunderte von Jahren später, in seiner Zeit, die Kassette ausgraben würde.
    Doch Cal war geblieben. Es war sein Bruder, der die Kapsel ausgehoben hatte. Und es war das Herz ihrer Schwester, das jetzt brach.
    Welchen Trost sie Sunny auch bieten konnte, es würde nicht genug sein.
    Es schien ihr so falsch, dass sie selbst ihr Glück gefunden hatte, während Sunny alles verlor. Cal war bei ihr, sie hatten ein Heim, in dem sie sich wohlfühlten, ein Leben, das sie zusammen aufbauten. Und sie erwarteten ein Kind zusammen. Libby lächelte verträumt vor sich hin, eine Hand an ihrem Leib. Das Kind, das Ende des Sommers zur Welt kommen und sie noch enger aneinander binden würde.
    Sunny hatte nur ihre Erinnerungen, und es gab nichts, was Libby für sie tun konnte.
    Sie drehte den Kopf und erblickte Jacob.
    Er war nur noch wenige Meter von ihr entfernt. Sie hatte ihn nicht kommen hören, der Schnee hatte seine Schritte verschluckt. Im Schatten der Bäume stellte sie fest, wie sehr er und Cal sich ähnelten. Die gleiche Statur, die gleichen Gesichtszüge. In seinen Augen lag ein eigenartiger Ausdruck, und sie fragte sich, wie lange er wohl schon da gestanden und sie beobachtet haben mochte.
    Sie ging nicht auf ihn zu. Auch wenn er keine Bedrohung mehr darstellte – und sie gestand sich ein, dass sie albern und übertrieben reagiert hatte –, so hatte er doch ihrer Schwester das Herz gebrochen.
    »Cal ist drinnen.« Ihre Stimme klang kühl und knapp. Sie machte sich nicht die Mühe, freundlich zu sein.
    Sie zeigt ihren Ärger auf andere Art als Sunny,
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