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Jeden Tag wurde ich dicker und müder: Mein Leben mit Hashimoto (German Edition)

Jeden Tag wurde ich dicker und müder: Mein Leben mit Hashimoto (German Edition)

Titel: Jeden Tag wurde ich dicker und müder: Mein Leben mit Hashimoto (German Edition)
Autoren: Vanessa Blumhagen
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mir geschah. Es war einfach furchtbar und ich total hilflos! Gerade noch ging es mir blendend – und von jetzt auf gleich fühlte ich mich elend. Mein Gewicht stieg langsam, aber stetig wieder an. Ich schlief schlecht, war ständig müde und hatte »Watte im Kopf«. Ich konnte einfach nicht mehr richtig nachdenken. Ich hatte oft Schwierigkeiten, die passenden Wörter zu finden, und war auf einmal nicht mehr so schlagfertig und spontan wie sonst. Allmählich wurde meine Monatsregel immer schwächer, bis sie ganz ausblieb. Meine normalerweise puppenartig-perfekte Haut verwandelte sich in eine unberechenbare Zone. Einerseits war sie trocken und empfindlich, dann wieder bekam ich Pickel wie ein pubertierender Teenager. Besonders unangenehm war mir das, wenn ich bei RTL in der Maske saß und geschminkt wurde. Oder beim Friseur: Selbst auf der Kopfhaut konnte man die Knubbel spüren. Ich betete beim Haarewaschen still, dass es für die netten jungen Damen und Herren nicht zu ekelig war. Sie haben sich aber nie etwas anmerken lassen.
    Richtig gefährlich wurde es, als meine Füße und Hände begannen, von jetzt auf gleich einfach einzuschlafen. Es kam mehr als einmal vor, dass ich an der Ampel anfahren wollte, aber in den paar Sekunden, in denen ich stand, das Gefühl aus meinen Füßen gewichen war. Mit heftigem Auftreten und Trampeln auf der Bodenplatte ging es dann meist schnell wieder. Hinter mir hupte es wütend, was die Situation nicht unbedingt angenehmer machte. Ich war nach jeder dieser Episoden nass geschwitzt, mein Herz raste und ich war froh, wenn ich heil angekommen war und aussteigen konnte. Nachts wachte ich regelmäßig auf, weil ein Arm oder Bein sich plötzlich wie ein toter Klumpen anfühlte, weil er eingeschlafen war. Wie ein wild gewordenes Rumpelstilzchen hüpfte ich ums Bett, um wieder Leben in die Gliedmaßen zu bringen. Oder ich schlug wie besessen meine Arme gegeneinander, bis sich ein leichtes Kribbeln einstellte und ich langsam spürte, dass das taube Anhängsel wieder zu mir gehörte. Natürlich wachte mein Mann jedes Mal auf und schaute mich entsetzt an. Aber er gewöhnte sich schnell an das nächtliche Spektakel, raunte meist nur etwas von »armes Ding« und drehte sich seufzend zur anderen Seite, um sofort wieder einzuschlafen.
    Gleichzeitig veränderte sich auch mein Schriftbild. Ich hatte nie eine typische Mädchenhandschrift, eher ausladend und platzgreifend, schwungvoll, aber gleichmäßig. Doch plötzlich krakelte ich unleserliche Zeichen und Symbole aufs Papier. Ich hatte kein richtiges Gefühl mehr für den Stift in meiner Hand. Das kannte ich eigentlich nur, wenn ich früher nach zwei, drei Wochen Urlaub zum ersten Mal wieder einen Kuli in die Hand nahm. Die ersten Worte wirkten ungewohnt ungelenk, aber dann hatte man seine Schrift wieder gefunden. Nur diesmal hatte ich lange keinen Urlaub mehr gemacht. Doch die Zeilen blieben fast unleserlich – bis heute hat sich das nicht ganz wieder zum Alten gewendet.
    Als es im Frühjahr 2010 immer wärmer wurde, kam noch ein Symptom dazu, das ich eigentlich nur von meinen Großmüttern kannte: Plötzlich bekam ich dicke Waden, wenn ich lange saß oder stand. Wassereinlagerungen. Meine Finger schwollen so stark an, dass ich meine Ringe nicht mehr an- oder ausziehen konnte. Manchmal waren die Schwellungen so schlimm, dass meine Beine und Finger richtig wehtaten.
    Nachvollziehbar, dass ich mit all diesen unerklärlichen Wehwehchen nicht gerade glücklich war. Ich fühlte mich matt und ausgelaugt. Bei jedem morgendlichen Schritt auf die Waage fing ich an zu weinen, manchmal brach ich tränenüberströmt im Bad zusammen. Ich trampelte auch schon mal wie eine Furie auf dem Messgerät herum, solange, bis es kaputt war. In den vergangenen vier Jahren musste nicht nur eine Waage dran glauben. Aber relativ schnell stand jedes Mal wieder ein neues Exemplar in meinem Bad.
    Ich zog mich immer mehr zurück, traf kaum mehr Freunde und unternahm nichts mehr. Mittlerweile flog ich zweimal pro Woche nach Köln zu RTL. Ich machte viel Sport, in der Hoffnung, dadurch endlich abzunehmen. Und ich saß bei diversen Ärzten im Wartezimmer rum. Mehr tat sich nicht mehr in meinem Leben. Ich war 32. Und todunglücklich.

Endlich ein Lichtblick!
    In dieser Zeit standen potenzielle Krankheiten im Raum wie Rheuma, Multiple Sklerose oder ein Gehirntumor. Doch keine Befürchtung meines Arztes bestätigte sich – zum Glück. Dann gab es plötzlich eine Diagnose: Borreliose!
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