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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf
Autoren: F Schmöe
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Hieb auf die Halsschlagader ausgeschaltet.
    Ewald. Ewald?
    Das Schiff tastete sich sorgsam in die Schleuse hinein. Ganz leise, wie ein Geist. Es war beinahe so breit wie das Schleusenbecken. Drohend ragte der Bug über der Wasseroberfläche auf.
    Katinka zog ihre Waffe und rannte zu dem Metallzaun hinüber, der die Plattform zum Becken hin abschloss. Ein violetter Fetzen hing an den Spitzen. Grell jagte ein Blitz durch die Nacht. Noch bevor der Donner rollte, sah Katinka Ewald Isenstein. Er trieb leblos im Schleusenbecken. Wenige Meter vom Bug des Schiffes entfernt.
    »Ewald!«, brüllte Katinka. Sie starrte zur Schleusenkanzel hinauf. »Hallo! Hilfe!« Sie kletterte über den Zaun. Wohin mit der Waffe. Nicht hinlegen. Wer auch immer mich niedergeschlagen hat, er könnte in der Nähe sein.
    Katinka ließ die Waffe auf den Beton fallen und sprang in das Schleusenbecken. Sie ging unter, schwarz und eiskalt schlug das Wasser über ihr zusammen. Im Reflex kniff sie die Lider zusammen. Ich kann schwimmen, mahnte sie sich. Sogar sehr gut. Ich habe nur Angst, weil das Schiff so nahe ist.
    »Vorsicht«, schrie sie, als sie auftauchte und brackiges Wasser ausspuckte, »da schwimmt ein Mann im Wasser!«
    Ihr war, als müsse sie nur die Hand ausstrecken, um den Anker zu berühren. Einen riesenhaften Anker, der über ihr aus seinem Schlund herausragte, ihr im grellen Licht des nächsten Blitzes entgegensprang wie die berühmte Faust aus der Mogelpackung. Katinka erreichte Ewald Isenstein mit zwei energischen Zügen. Er trieb reglos im Wasser.
    »Ewald!«, brüllte sie. Sie drehte ihn auf den Rücken. Packte ihn unter dem Kinn, hielt sein Gesicht über Wasser und schleppte ihn ab, wie sie es vor Jahren für den Rettungsschwimmer geübt hatte. Aber sie kam nicht weit. Sie hatte zu wenig Platz zwischen Schleusentor und Schiff. Kurz lotsten ihre Gedanken sie in die Tiefe des Schleusenbeckens. Mehr als zehn Meter. Nicht denken. Ewald war schwer und schlaff. Nicht so geschmeidig zu dirigieren wie die Vereinsfreunde, die beim Training die Ertrinkenden mimten. Sie stieß sich den Kopf am Tor. Brutal drückte das Wasser sie dagegen. Über ihr der Schiffsbug. Der zerquetscht uns, dachte Katinka. Sie kam nicht zum Beckenrand. Nicht so schnell, denn Ewalds Körper blockierte jede schnelle Bewegung. Wie ein übergroßes Fahrzeug dümpelte sie mit Ewald manövrierunfähig im Wasser. Sie würde ihn alleine nicht aus dem Wasser kriegen. Wenn sie ihn losließe, würde er zwischen Schiffswand und Beckenmauer zermalmt werden oder untergehen.
    Von weither hörte sie Stimmen, aufgeregt und eilig. Licht flammte auf.
    »Hilfe!«, schrie Katinka und verbrauchte all ihre Luft dabei. Wie eine Anfängerin. Sie ging unter, während Ewald plötzlich lebendig wurde und mit den Armen ruderte. Schluckte Wasser.
    »Hilfe!«, gurgelte Katinka, als sie wieder hochkam. Greller Blitz, Donner. Viele Leute am Sperrzaun. Ewald versetzte ihr einen Tritt. Die ungeahnte Kraft der Ertrinkenden, vor der immer gewarnt wurde. Sie ziehen euch runter, hörte Katinka den Schwimmtrainer, klammern sich an euch und ihr ertrinkt mit ihnen. Alles steht und fällt mit der richtigen Schlepptechnik.
    Das Wasser um sie her schäumte, als habe jemand einen gigantischen Mixer in die Schleuse gesteckt. Sie ließ Ewald mit einer Hand los und versuchte, sich an dem Schleusentor festzuhalten, aber da gab es nichts, woran ihre Hand Halt finden würde. Sie versuchte es, rutschte ab. Versuchte es noch mal. Ewald würgte und hustete, ging ein Stück unter. Sie packte ihn an der Schulter und hielt ihn über Wasser. Alles falsch, ganz falsch. Sie hörte etwas brüllen. Schiffsmotoren. So laut. So brutal. So nah. Das schwarze Wasser blubberte.
    »Hier rüber!« Jemand stand an der Eisenleiter, die an der Querseite in das Becken führte. »Geben Sie mir Ihre Hand.«
    Sie sah einen Mann, ein Blitz im Hintergrund ließ die Polizeimütze aufleuchten. Katinka umklammerte Ewalds Hemdkragen. Im nächsten Moment hatte jemand sie selbst am Schlafittchen. Sie wurde hochgezogen. Kräftige Arme griffen nach Ewald. Verloren ihn. Er fiel zurück ins Wasser. Ein Polizist sprang ihm nach. Hievte ihn aus dem Wasser. Ein anderer half Katinka über den Zaun. Sie beugte sich vor und spuckte Wasser. Es schmeckte nach Maschinenöl. Der Wind fiel über sie her. Jemand kam mit einer Decke.
    »Katinka!« Sabine Kerschensteiner hockte sich neben sie auf den Beton. Vertraut. Warm wie ein Ofen.
    »Wo kommst du denn her«,
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