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James Bomb 5 -James Bomb jagt den Paten

James Bomb 5 -James Bomb jagt den Paten

Titel: James Bomb 5 -James Bomb jagt den Paten
Autoren: Manfred Taut
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keinem Familienkrieg geführt. Besonnenheit und Vernunft, das hatte von jeher sein Handeln bestimmt. Es war seine einzige große Sorge, daß diese Eigenschaften Rocco, seinem einzigen Sohn, so völlig abgingen.
    Aber Rocco war ja noch jung, und er selbst hatte nicht vor, sich jetzt schon aufs Altenteil zurückzuziehen.
    Und wahrscheinlich war es auch gut, wenn mit diesem vornehmen Engländer, in den seine Elsa so verschossen war, ein vernünftiger und nüchtern denkender Schwiegersohn ins Familiengeschäft kam. Er würde ihn jedenfalls sobald als möglich zum Caporegime machen.
    Ach ja, dachte der alte Don, er konnte ganz zufrieden sein. Er hatte sein Haus bestellt, und wenn er in einigen Jahren in den wohlverdienten Ruhestand trat, konnte er sich endlich ganz seinen Liebhabereien widmen — dem Weinberg und seinen Kaninchen.
    Poppeia, sein Lieblingskaninchen, fiel ihm ein. Er lächelte zärtlich. Ob sie heute nacht geworfen hatte?
    Er mußte gleich einmal nachsehen.
    Don Vico schlug entschlossen die Augen auf.
    Der Schein der Morgenröte kroch durch die halbgeöffneten Jalousien ins Zimmer.
    Er nahm den antiquierten Wecker vom Nachttisch zur Hand. Es war kurz nach sechs Uhr.
    Leise, um Signora Pappardelle nicht zu wecken — sie konnte da sehr ungemütlich werden — schwang er seine stämmigen Beine aus dem Bett und fischte mit den bloßen Füßen nach seinen Pantoffeln.
    In seinem langen, weißen Flanellnachthemd schlich er ins Badezimmer.
    Vorsichtig rollte er die Schiebetür zur Seite.
    Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne fielen waagerecht in das gekachelte Bad und blendeten ihn.
    Der alte Mafioso kniff die Augen zusammen und tappte zum Lokus.
    Mit der einen Hand hob er den Saum seines Nachthemdes, mit der anderen begann er bedächtig Wasser abzuschlagen. Geduldig wartete er, bis das Tröpfeln ein Ende fand. Behutsam betätigte er die Spülung und wandte sich zum Waschbecken.
    Die Morgensonne schien ihm aus dem Spiegel über der Konsole direkt ins Gesicht.
    Don Vico beschirmte mit der Linken seine Augen und streckte die Rechte nach dem Wasserglas auf der Konsole aus, in dem er über Nacht seine Zähne aufbewahrte.
    Er erstarrte mitten in der Bewegung.
    Ihm war, als griffe eine eisige Faust nach seinem Herzen. Sein Atem stockte.
    Sein Verstand weigerte sich zu begreifen, was seine geblendeten Augen erblickten.
    Vor ihm auf der Konsole, im Zahnputzglas, steckte der abgehackte blutige Kopf Poppeias.
    Die leeren Höhlen der ausgestochenen Augen starrten ihn an, aus den zurückgezogenen Lippen bleckten grinsend die Nagezähne.
    Das Wasser unter dem Halsstumpf war rot verfärbt, in ihm schwammen leise schaukelnd seine Zahnprothesen.
    Der alte Mann stierte regungslos auf das Grauen vor ihm. Der Druck der eisigen Faust, die Don Vicos Herz umklammert hielt, wurde unerträglicher. Eine brennende Lohe strahlte in seinen linken Arm.
    Der Schein der blendenden Sonne wurde greller und greller. Der alte Mann schloß die Augen.
    Er preßte die rechte Hand auf sein Herz und drehte sich taumelnd um.
    Langsam und schleppend, röchelnd und mit pfeifendem Atem, wie ein weidwundes Tier, tastete sich der Alte ins Schlafzimmer zurück.
    „Lucia“, ächzte er mit letzter Kraft, „hilf mir...hilf...“
    Signora Pappardelle fuhr in die Höhe. Sie sprang aus dem Bett, fing den schwankenden Alten auf und schleppte ihn zu seiner Lagerstätte.
    „Leg dich hin, Vico, leg dich hin!“
    Aus dem silbernen Döschen auf dem Nachttisch, in dem ihr Mann sein Herzmittel aufbewahrte, entnahm sie geistesgegenwärtig eine Nitroglyzerintablette und schob sie ihm unter die Zunge.
    „Gleich... gleich ist es vorbei“, flüsterte sie.
    Auf einmal war es Don Vico, als erfülle die helle Morgensonne des Mittelmeeres den Raum. Und diese wärmende Helligkeit erweckte Erinnerungen in seiner Seele.
    Er dachte zurück an die miseria seiner Jugend, an die Madonna über seinem Strohlager, an die dünne Polenta seiner Mama und an das alte armselige bicicletta von Papa. Er dachte an die infamita, mit der sein Papa getötet wurde — sah sich selbst als junger Bursche, erfüllt von dem Gedanken an vendetta, die Lippen versiegelt von der omerta, auf dem Rücken die Lupara, wie er die Felder Corleones auf der Suche nach dem Mörder durchstreifte. Er dachte an den ersten Mord, den er begangen hatte, an den ersten Grappa, den er getrunken und an die erste Frau, die er bestiegen hatte.
    Aber die Mittelmeersonne stieg schnell in seiner Seele. Schon war es Mittag in
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