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Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition)
Autoren: Thomas R.P. Mielke
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lassen«, fluchte einer der Männer, die sonst nur im Fuggerschen Kontor saßen. Sie merkten nicht, dass Jakob sie hinter aufgestapelten Gewürzsäcken belauschte.
    »Wahrscheinlich regt er sich auch noch darüber auf, dass geschälte weiße Pfefferkörner nun einmal mehr wiegen als schwarze«, gab ein anderer spöttisch zurück.
    Jakob wunderte sich über die eigenartige Behauptung. Dann überlegte er, dass die schwarze Schale des Pfefferkorns wahrscheinlich leichter war als dessen Inhalt. Er nahm sich vor, so viel wie möglich über diese Dinge zu erfahren.
    »Wenn der junge Herr Georg nur niemals in Italien gewesen wäre«, seufzte einer der Schreiber. »Sobald er bei mir einen Fehlbetrag entdeckt, schreit er sofort ›manco‹ wie diese lauten welschen Händler.«
    »Vor dem Wort fürchtet sich doch jeder, der für die Fugger arbeitet, noch mehr als vor dem Fegefeuer«, bestätigte ein anderer seufzend.

Gott und die Welt
    Weitere fünf Jahre blieb Jakob ein Suchender auf seinem vorgegebenen Weg zum Geistlichen, zum Magister- oder gar Doktortitel. Ja, er war fromm, demütig und gehorsam. Er strebte auch danach, sein Wissen zu mehren, und fügte sich in die Gemeinschaft ein wie alle anderen. Freudig trug er die Soutane zur Unterscheidung der Geistlichen von den Weltlichen nach den Worten der Heiligen Schrift: »Nolite conformari huic saeculo – ihr sollt euch nicht dieser Welt angleichen.« Und er trug das weiße Chorhemd als Symbol der himmlischen Liturgie und der Reinheit des Lebens.
    Jahr für Jahr war er immer weiter aufgestiegen auf den Stufen des Altars zu Gott. Aber Gebete kann man nicht anfassen, und er bezweifelte, dass Gott mit sich handeln ließ und dass Weihrauch mehr war als einer von vielen wunderbaren Düften des Orients. Er hatte die niederen Weihen erhalten und konnte sich Wächter des Tores zu den Geheimnissen der Kirche nennen. Er durfte als Exorzist Besessene im Auftrag der Kirche von Teufeln, Dämonen und Verirrungen befreien, als Lektor aus der Heiligen Schrift vorlesen und bei den Messen als Erster unter den anderen ministrieren.
    Der Frühling ging bereits in den Sommer über, als Jakob wieder einmal sinnend über den großen Folianten saß, in die er eintragen sollte, was vor ihm auf dem Tisch lag. Er hasste das Durcheinander aus Pergamentzetteln, eingerollter und hart gewordener Birkenrinde und kleinen Leinenfetzen mit irgendwelchen kaum leserlichen, halb verwaschenen Schriftzeichen, von denen einige sogar mit Blut geschrieben waren. Noch schlimmer waren die mit Teer, Wachs oder Harz verklebten Warenproben, von denen er in den ersten Jahren nicht einmal die korrekten Bezeichnungen gekannt hatte. Seltsame Gewürzkörner waren darunter, Muster von Dachschindeln, Reste von Reiherfedern, Schweinsborsten und Fellen. Am schlimmsten aber waren die Stöckchen aus dem Norden, in die einige Kauffahrer der Hanse mit Runenzeichen eingekerbt hatten, wie viele Heringsfässer oder Pfund Bernstein sie geliefert hatten.
    Das Stift durfte eigentlich nicht handeln. Es durfte auch keine Waren annehmen oder weitergeben. Deswegen musste Jakob alles in drei unterschiedliche Bücher eintragen. Das wichtigste mit den üblichen Handelswaren hieß »Nicht zum Verbrauch«, ein etwas kleineres für die Vorräte der Chorherren nannte sich »Zum Verbrauch«. Doch wenn eine besonders wertvolle Lieferung von Hermelin, Zobel oder schwarzem Pfeffer eintraf, brachte der Abt ein besonderes Buch mit vergoldeten Schließen an der Seite. »Für Sankt Veit«, sagte er dann, »trag die schönen Dinge hier ein – und kein Wort darüber zu irgendeinem anderen!«
    Noch während Jakob die letzten Runenstäbe sortierte, hörte er Hundegebell von draußen. Gleich darauf klapperten Pferdehufe über das Pflaster des Innenhofs. Stimmen wurden laut, und dann hörte Jakob seinen Bruder Ulrich.
    Unwillkürlich schloss er den Folianten »Sankt Veit« zu, drehte den kleinen Schlüssel um und legte ein Tuch aus braunem Samt über die Buchschatulle. Die beiden anderen Bücher ließ er offen. Er stand bedächtig auf und stellte sich so ans Fenster, dass er von unten nicht gesehen werden konnte.
    »Gott sei seiner armen Seele gnädig«, sagte der Abt und bekreuzigte sich.
    Wessen Seele?, dachte Jakob sofort. Ist irgendetwas mit Georg? Er presste seine schön geschwungenen Lippen zusammen und atmete tief durch. In seine sanften braunen Augen trat ein harter Glanz. Er schob das Kinn vor und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Es dunkelte
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