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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Autoren: Klaus Kreiser
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warf man dem Ebu Eyüb-i Ansârî, als er in das Tor kam, oben vom Tore einen Stein an eine seiner Mandeln, so dass sie ihn auf das Gesicht fallen ließen. Die neben ihm Befindlichen griffen ihm schnell unter die Achseln (um ihn wegzuführen). Während man ihn aufhob, schossen sie von dem gegenüberliegenden Turm mit der Armbrust – und töteten ihn dort.
    Nach heftigen Kämpfen begriffen die Muslime, dass sie den Leichnam ihres Führers nicht mit sich nehmen konnten, und sagten zueinander: «Kommt, die Ungläubigen sollen wenigstens nicht wissen, wer er gewesen ist, und nicht seinen Leichnam mit sich nehmen.» Sie hoben in dem Wassergraben zwischen Landmauer und einem Vorwerk ein Loch aus und machten das Grab Eyübs unkenntlich und zogen mit ihren Schiffen ab. Nach dem Rückzug der Muslime blieb das Grab bei Eğri Kapi nicht lange unkenntlich, zu seinen Häupten wuchs eine Zypresse, und eine wundertätige Quelle entsprang. Die Behandlung des Wallfahrtsortes von Eyüp kann als Fortsetzung der Geschichte über die Wiederauffindung des Grabes im Jahr 1453 nachgelesen werden.
Mehmed II. erobert die Stadt und betet in der Hagia Sophia
    Angesichts der unbestrittenen «Sternstunde der Menschheit» (Stefan Zweig) im Jahre 1453 und im Vergleich zur Fülle griechischer und abendländischer Berichte über die Einnahme Konstantinopels durch Sultan Mehmed II. behandeln die zeitnahen osmanischen Autoren die Vorgängeauf nur wenigen Seiten. Das gilt auch für den in volkstümlicher Sprache schreibenden Âşikpaşa-Zâde (gest. nach 1484). Mit knappen Worten geht der Chronist auf das berühmte Übertragen von Schiffen vom Bosporus durch das Maçka-Tal (also beim heutigen İnönü-Stadion) ins Goldene Horn ein. Wer sich an einem 29. Mai, dem Gedenktag der Eroberung, in Istanbul aufhält, kann den mit einigen Schiffen nachgestellten Zug der Galeeren beobachten.
    Abb. 1: Hagia Sophia:
Die Hagia Sophia behielt auch in osmanischer Zeit als Moschee Rang und Würde als wichtigstes Gotteshaus der Stadt.
    Man war seit langem schon dabei, die Rüstungen für die Eroberung der Stadt selbst zu treffen. Sowie alles bereit war, kam auch der Sommer, und Sultan Mehmed sagte: «Heuer verbringe ich den Sommer zu Istanbul!» Sie rückten hin und legten sich vor die Mauern von Istanbul. Vom Lande her und mit Schiffen vom Meere her schlossen sie es ringsum ein. Vierhundert Schiffe rückten auf dem Meere vor und siebzig Schiffe segelten oberhalb von Galata über das feste Land.
    Die Streitscharen standen bereit zum Kampf; sie ließen ihre Banner fliegen und rückten heran. Am Fuße der Mauern stiegen sie ins Meer und schlugeneine Brücke über das Wasser. Fünfzig Tage lang wurde tags und nachts gekämpft, und am einundfünfzigsten Tag gab dann der Herrscher die Stadt zur Plünderung frei. Die Gazi («Glaubenskämpfer») stürmten, und am Dienstag wurde die Festung genommen. Da gab es gute Beute. Gold und Silber und Juwelen und kostbare Stoffe wurden auf den Markt im Heerlager gebracht und in Haufen aufgestapelt; all dieses wurde nun feilgeboten. Die Giauren («Gottesleugner») von Istanbul wurden zu Sklaven gemacht, und die schönen Mädchen wurden von den Gazi in die Arme genommen. Am Mittwoch wurde (der Großwesir) Halîl Pascha mit seinen Söhnen und seinen Verwaltern zur Aufsicht über die Festung eingesetzt …
    Âşikpaşa-Zâde benutzt den Siegesbericht, um noch einmal den beim mittelasiatischen Urvater Oğuz wurzelnden Stammbaum der osmanischen Dynastie in verkürzter Form einzufügen:
    Kurz, am ersten Freitag nach der Eroberung wurde in der Aya Sofya das Gemeinschaftsgebet verrichtet und die islamische Freitagspredigt im Namen des Sultan Mehmed Gazi Hân gehalten, Sohnes des Sultan Murâd Hân Gazi, der selbst wieder der Sohn war des Sultan Mehmed Gazi Hân, und dieser der Sohn des Sultan Bâyezîd, und dieser der Sohn des Murâd Hünkâr Hân, und dieser der Sohn des Orhan Gazi Hân, und dieser der Sohn des Osman Gazi Hân, und dieser der Sohn des Ertoğrul Gazi Hân, und dieser wieder der Sohn des Sultan Süleymân Şah Gazi Hân, also aus dem Geschlecht des Gök Alp, des Sohnes des Oğuz Hân.
    Viel ausführlicher behandelt dieser Autor, die Schwierigkeiten bei dem Wiederaufbau der Stadt. Nach anfänglichen Erfolgen setzt eine unkluge Besteuerung der Immobilien dem Aufschwung ein Ende.
    Nachdem Sultan Mehmed Hân Gazi Istanbul eingenommen hatte, übertrug er das Amt des
Subaşi
(hier etwa: Stadtkommandant) dortselbst seinem Knechte
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